Wie man mehr bekommt, indem man weniger tut
Sieh dir mal diesen Baseballspieler an. Er macht gerade etwas Außergewöhnliches.
Der Ball kommt gerade mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit aus großer Distanz und hat etwa 90 Meilen pro Stunde drauf. In weniger als 5 Sekunden ist dieser Spieler exakt zu dem Punkt gelaufen, an dem der Ball gelandet ist, und zwar auf den Zentimeter genau. Er hat ihn gefangen, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu früh da gewesen zu sein.
Das ist außerordentlich, wenn man bedenkt, was er in diesen wenigen 5 Sekunden alles machen musste. Er musste die Anfangsgeschwindigkeit des Balles kennen, mit welcher Geschwindigkeit dieser sich drehte und den Winkel. Er musste die exakte Geschwindigkeit und Windrichtung kennen, denn das würde ohne Zweifel die Flugbahn des Balles beeinträchtigen. Er musste genau wissen, wann der Ball vom vertikalen Aufstieg in den Abstieg wechseln würde, wann er langsamer werden würde, wann er für einen Moment fast in der Luft zu hängen schien und nach unten fallen würde. Diese Berechnung ist nötig, um herauszufinden, wo ein Ball landet und das ist unglaublich:
Es ist fast unmöglich, das einfach so im Kopf zu berechnen. Trotzdem machen das die Baseballspieler den ganzen Sommer lang. Laut Inside Edge enden 84,7 % aller Baseball-Bälle, die für 5 Sekunden in der Luft hängen, im Aus. Stephen Hawking könnte diese Gleichung nicht in 5 Sekunden berechnen, aber Lenny Dykstra hat das Tausende von Malen vorgemacht.
Aber wie?
Baseballspieler berechnen das natürlich nicht im Kopf. In seinem Buch Risk Savvy schreibt Gerd Gigerenzer, dass egal ob sie es wissen oder nicht, die Spieler eine Faustregel benutzen und damit bestimmen, wo ein Ball landen wird.
- Den Ball in der Mitte des Blickfeldes halten.
- Laufen.
- Geschwindigkeit und Richtung des eigenen Laufs so anpassen, dass der Winkel des Balles genau dort bleibt, wo er auch zuvor in deinem Blickfeld war.
Das ist alles. Solange der Winkel des Balles aus deinem Blickwinkel konstant bleibt, rennst du dahin, wo er landen wird. All die komplizierte Mathematik steckt in dieser einen Faustregel.
Baseballspieler verstehen intuitiv etwas, dass die Investoren auch verstehen sollten: Komplizierte Probleme können mit einfachen Faustregeln gezähmt werden. Je komplizierter ein Problem ist, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass man es genau berechnen wird. Daher sind Faustregeln unabdingbar.
Dean Williams erzählte in einer seiner Reden die Geschichte von einem Investor, der die Einfachheit gelernt hat. Vor 30 Jahren gab das Pensions & Investment Age Magazine eine Liste mit Vermögensverwaltern heraus, die die besten Zehn-Jahres-Renditen erwirtschaftet hatten. Kaum jemand hat jemals von dem Gewinner Edgerton Welch der Citizens Bank and Trust gehört. Daher besuchte ein Reporter von Forbes.
Welsh sagte, er hätte noch nie von Benjamin Graham gehört und er hätte keine Ahnung, was die moderne Portfoliotheorie wäre. Auf die Frage nach seinem Geheimnis zog Welch eine Ausgabe des Newsletters von Value Line heraus und sagte dem Reporter, er hätte all die Aktien gekauft, die mit einer 1 versehen waren (die billigsten). Sein einziges Geheimnis bei der Zähmung des komplizierten Problem, welche Aktien man besitzen sollte, hatte er in eine einfache Faustregel umgewandelt. Er hatte einfach die billigen gekauft.
Die Investoren sollten öfter auf diese Art und Weise denken. Die Märkte sind unendlich kompliziert und die Investoren unendlich emotional. Abgesehen davon gibt es keine Zusatzpunkte, wenn man die Schwierigkeiten meistert. Zu viel über Dinge wie Bewertung oder moderne Portfoliotheorie nachzudenken wäre, als wenn ein Baseballspieler einen Taschenrechner aus der Tasche ziehen würde und verzweifelt den Landepunkt des Balles berechnen würde. Immer, wenn du ein kompliziertes System mit einer einfachen Faustregel zähmen kannst, bist du besser dran.
Versuche also nicht zu viel zu rechnen, wenn du Aktien kaufst. Das Problem ist zu kompliziert und hat zu viele unbekannte Variablen. Stattdessen kannst du mit dem Durchschnittskosteneffekt dieselbe Anzahl von Aktien jeden Monat oder in jedem Quartal kaufen, komme was da wolle. Im Laufe der Zeit wirst du fast jeden, der nicht diesen Ansatz folgt, hinter dir lassen.
Versuch auch nicht die Marktrenditen für das nächste Jahr oder die nächsten beiden Jahre zu berechnen. Du wirst es niemals herausfinden. Stattdessen solltest du annehmen, dass sie 6 % pro Jahr nach Inflation über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten – mit jeder Menge Volatilität dazwischen – erreichen wird, denn das war das Ergebnis in der Vergangenheit.
Wenn du versuchst, kurzfristige Ergebnisse vorherzusagen, dann nutze die Faustregel dessen, was der Markt in den letzten 10 Jahren in seinen schlechtesten Zeiten erwirtschaftet hat. Im Laufe der Zeit wirst du damit jeden Strategen von der Wallstreet in den Schatten stellen.
Du solltest dein Portfolio aus Aktien und Bonds alle paar Jahre neu ausbalancieren. Und denk nicht zu viel darüber nach.
Versuche nicht vorherzusehen, wann wir eine Rezession haben werden. Niemand kann das. Stattdessen könntest du als Faustregel nehmen, dass wir drei oder vier Rezensionen zu unvorhersehbaren Zeiten in einem Zeitraum von 20 Jahren haben werden.
Kaufe Unternehmen, die ihre Aktionäre mit kontinuierlichen Dividenden und Rückläufen belohnen. Der Versuch zu berechnen, ob ein CEO effektiv die Gewinne reinvestiert, ist sehr schwer und die Fakten deuten darauf hin, dass die meisten nicht sehr gut darin sind. Geld, das du direkt und in bar bekommst, ist im Laufe der Zeit daher die bessere Wahl.
Versuche nicht genau zu berechnen, wie viel Geld du im Ruhestand brauchen wirst. Du hast keine Ahnung, was die Zukunft bringt. Stattdessen solltest du mindestens 10 % von dem, was du verdienst, sparen und zusätzlich alles weitere, was du entbehren kannst, während du von dem Rest noch komfortabel leben kannst.
Du magst vielleicht glauben, dass erfolgreiche Investoren brillant sind und komplizierte Dinge genau ausrechnen können. Das sind sie aber in den seltensten Fällen. Die besten davon sind mehr wie Baseballspieler, die komplizierte Probleme mit einfachen Faustregel lösen. “Einfachheit ist die Voraussetzung für Zuverlässigkeit”, sagte Edsger Dijkstra. Versuch einfach weniger zu machen.
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Dieser Artikel wurde von Morgan Housel auf Englisch verfasst und wurde am 02.07.2014 auf Fool.com veröffentlicht. Er wurde übersetzt, damit unsere deutschen Leser an der Diskussion teilnehmen können.