KPMG entlastet Wirecard: Ist jetzt die einmalige Chance zum Einstieg?

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatte Wirecard (WKN: 747206) positive Nachrichten zu verkünden: Die aktuell laufende Sonderprüfung von KPMG, bei der Wirecard hinsichtlich möglicher Bilanztricksereien geprüft werden soll, hat bisher keine Hinweise auf betrügerisches Verhalten Wirecards aufdecken können.
Gleichzeitig beendete die Aktie den Handel am Freitag auf einem Kursniveau von 89,70 Euro. So ein tiefer Schlusskurs wurde selbst direkt nach dem Aufkommen der „Financial Times“-Vorwürfe Anfang 2019 nicht erreicht. Klingt nach einer glasklaren Kaufchance – aber schauen wir mal genauer nach.
Was wir wissen – und was noch nicht
Einer Unternehmensmitteilung zufolge hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Wirecard darüber informiert, dass die Sonderprüfung bezüglich der Regionen Indien und Singapur sowie des Geschäftsbereichs Forderungsvorfinanzierung „weitestgehend abgeschlossen“ sei. Bisher seien dabei keine substanziellen Feststellungen angefallen, die einen Korrekturbedarf für die Jahresabschlüsse von 2016 bis 2018 bedeuten würden.
Allerdings dauert die Prüfung des Dritt-Partnergeschäfts (TPA) noch an und soll erst spätestens am 22. April 2020 beendet sein. Aufgrund der Verzögerungen soll der Jahresabschluss 2019 statt wie bisher geplant am 8. April erst am 30. April vorgestellt werden. Ein Lichtblick: Wirecard plant, am Ende den kompletten Untersuchungsbericht von KPMG zu veröffentlichen, anstatt – wie 2019 bei der Prüfung des Singapur-Geschäfts durch Rajah&Tann – der Öffentlichkeit nur eine kurze Zusammenfassung zu präsentieren.
Die Aktie reagiert verhalten
Unterm Strich sind diese Nachrichten natürlich ein sehr gutes Zeichen und es sieht so aus, als könnten sich Wirecard-Aktionäre auf den April freuen. Die Reaktion der Aktie war demgegenüber nicht so positiv. Nachdem die Aktie am Morgen fast 30 % im Plus eröffnete, schmolzen die Gewinne recht schnell zusammen. Am Ende des Handelstages stand ein Plus von nur 4,5 %.
Also am Ende alles nur halb so gut? Ich denke nicht. Vielmehr dürften Anleger den Kurssprung genutzt haben, um nach den Verlusten der letzten Wochen etwas teurer aus der Aktie auszusteigen. Insofern war COVID-19 hier wohl einmal mehr aktienkursbestimmend.
Ist die Aktie jetzt ein Kauf?
Offiziell sieht Wirecard derzeit keine negativen Auswirkungen des Coronavirus auf das Geschäft; die Jahresprognose für 2020 wurde gegenüber Business Insider bestätigt. Allerdings ist dies zwei Wochen her und mittlerweile gibt es auch bei Wirecard den ersten Krankheitsfall, zudem haben die großen Payment-Unternehmen Visa und Mastercard ihre Prognosen jeweils leicht gekürzt.
Allerdings: Selbst wenn das laufende Jahr für Wirecard eine Wachstumsdelle bringen sollte, lohnt sich der Blick auf die langfristig entscheidenden Faktoren. Aktuell wird Wirecard mit 11,1 Mrd. Euro bewertet. Für 2025 plant Wirecard mit einem Umsatz von über 12 Mrd. Euro, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen soll dann bei 3,8 Mrd. Euro liegen. Die aktuelle Marktkapitalisierung ist nicht einmal das Dreifache davon.
Potenzial zur Verfünffachung
Eine kurze Rechnung verdeutlicht, dass das wirklich ziemlich günstig ist: Sollte Wirecard seine Ziele erreichen, wird das Unternehmen ein etablierter und dennoch wachstumsstarker Akteur in einem Zukunftsmarkt sein, weshalb ein im Verhältnis zum Gesamtmarkt überdurchschnittliches Kurs-EBITDA-Verhältnis von 15 aus meiner Sicht realistisch wäre. Die Aktie besitzt in den nächsten fünf Jahren folglich das Potenzial zur Verfünffachung und sieht daher unterbewertet aus.
Das scheint im Übrigen auch Wirecard selbst so zu sehen, da das Unternehmen zuletzt im Rahmen des laufenden Programms seine Aktienrückkäufe intensiviert hat.
Die Wirecard-Aktie könnte daher jetzt eine Chance für mutige Investoren darstellen. Wie wir jedoch gesehen haben, hat das Coronavirus an der Börse kurzfristig das Sagen, weshalb der Kurs von nun an vermutlich nicht schnurgerade nach oben laufen wird.
Nicht zittern – handeln! Der Bärenmarkt-Überlebensguide für Börsenkrisen
Der Aktienmarkt ist derzeit wieder höheren Risiken ausgesetzt. Droht vielleicht sogar ein Bärenmarkt? Vielleicht – aber steck jetzt bloß nicht den Kopf in den Sand!
Wenn die Märkte schwanken und die Nerven flattern – genau dann zählt es, wie du dich als Anleger verhältst. Unser Bärenmarkt-Überlebensguide zeigt dir in vier Schritten, wie du klug, ruhig und strategisch durch jede Korrektur kommst – und sie vielleicht sogar zu deiner größten Chance machst.
Jetzt lesen und vorbereitet sein, wenn andere in Panik verfallen!
Christoph Gössel besitzt Aktien von Visa und Wirecard. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Mastercard und Visa.