Wie die Nvidia-Sanktionen auch die Infineon-Aktie treffen könnten
Ein Export-Bann der USA nach China für fortschrittliche Chips, die für Anwendungen der künstlichen Intelligenz genutzt werden können, lässt die Aktie von Nvidia (WKN: 918422) abstürzen. Welche Auswirkungen hat das und was könnte die Maßnahme für den deutsch-amerikanischen Halbleiterkonzern Infineon (WKN: 623100) bedeuten?
Das Umfeld verschlechtert sich zunehmend
Als im Dezember noch große Euphorie für die Halbleiterbranche herrschte und zum Teil fantastische Kursziele für Nvidia ausgerufen wurden, sagte ich eine Kurshalbierung für Nvidia voraus. Ewig konnte der ungewöhnliche Boom nicht anhalten.
Und tatsächlich hat der Grafikchip-Hersteller Nvidia nach einer mehrjährigen Phase der Verknappung, der überbordenden Nachfrage und des Preisanstiegs nun mit einem Überangebot an Grafikkarten für Spiele zu kämpfen. Deswegen musste das Management die Prognose für diesen Bereich senken. Der Aktienkurs liegt nun rund 60 % unter den Hochs von 2021.
Glücklicherweise entwickelt sich das Rechenzentrumsgeschäft des Unternehmens, zu dem leistungsstarke Grafikchips zur Beschleunigung von künstlicher Intelligenz (KI) und rechenintensiven Aufgaben gehören, grundsätzlich weiterhin gut. Allerdings sieht das Unternehmen jetzt einen potenziellen Verlust von 400 Mio. US-Dollar für dieses Segment.
Vor wenigen Tagen gab das Unternehmen bekannt, dass die US-Regierung eine neue Lizenzanforderung für den Export seiner Hochleistungs-GPUs nach China, Hongkong und Russland eingeführt hat. Damit soll vor allem verhindert werden, dass diese ultrastarken Chips in die Hände des chinesischen Militärs gelangen.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob Nvidia den teilweisen Wegfall des Chinageschäfts kompensieren kann.
Chinas Bedeutung für Nvidia ist immens
Die neuen Exportbeschränkungen betreffen zwar nur bestimmte GPUs für Rechenzentren, aber es lohnt sich zu fragen, wie viel Umsatz Nvidia in allen Segmenten mit China macht. Die Beantwortung dieser Frage ist schwieriger, als es scheint. Im Gaming-Segment verlässt sich Nvidia auf meist asiatische Grafikkartenhersteller, die seine Chips verbauen.
Im Geschäftsjahr 2021/2022, das am 30. Januar endete, meldete Nvidia einen Umsatz von 7,1 Mrd. US-Dollar, der auf China und Hongkong entfiel. Weitere 8,5 Mrd. US-Dollar Umsatz entfielen auf Taiwan, das zwar nicht unter diese Exportbeschränkungen fällt, aber dennoch in die wachsenden Spannungen zwischen den USA und China verwickelt ist. Die Gesamteinnahmen beliefen sich auf 26,9 Mrd. US-Dollar.
Diese Zahlen geben keinen Aufschluss darüber, wo Nvidias GPUs tatsächlich landen, also ob sie auf einzelnen Grafikkarten ihren Dienst tun oder geballt in mächtigen Rechenzentren. Und das könnte ein Problem sein. Denn wenn es das Ziel der US-Regierung ist, Chinas KI-Bemühungen zu bremsen, dann kann man sich leicht vorstellen, dass sich die Situation für Nvidia noch verschlimmern wird.
Die Exportbeschränkungen betreffen nur einige der leistungsstarken Rechenzentrumschips von Nvidia, aber auch die Spiele-Grafikkarten des Unternehmens sind in der Lage, KI-Workloads massiv zu beschleunigen, auch wenn sie weniger leistungsfähig als die speziell für diesen Zweck abgestimmten Varianten sind.
Im Extremszenario würde ein großer Teil des Geschäfts von Nvidia kurzfristig wegfallen.
Bei der Nvidia-Aktie ist Vorsicht angesagt, aber auch bei Infineon?
Investoren können heute zu stark reduzierten Kursen bei Nvidia einsteigen. Aber billig ist die Aktie deswegen nicht unbedingt, denn die veränderten Rahmenbedingungen rechtfertigen den Kursrückgang. Eine weitere Eskalation des Handelskrieges zwischen China und den USA könnte verheerende Auswirkungen auf den Absatz und den Gewinn von Nvidia haben.
Die zunehmend feindseligen Aktionen der beiden Großmächte könnten schon bald auch größere Kreise ziehen in der Chipbranche. Noch betreffen die Sanktionen etwa Infineon nicht direkt. Deren Mikrocontroller sind zwar leistungsmäßig auch nicht zu verachten. Aber sie stellen eher mobile Allzweckwaffen dar als hochspezialisierte Rechenknechte.
Indirekt könnte aber auch Infineon ein paar Schrammen abbekommen in diesem schmutzigen Spiel. Und zwar gleich auf zwei Wegen: Erstens stellen die Sanktionen für China eine zusätzliche Motivation dar, eigene Halbleitertechnologien zu entwickeln. Im für Infineon so wichtigen Geschäftssegment der Leistungshalbleiter versuchen einheimische Hersteller bereits erfolgreich, dem deutschen Marktführer Marktanteile zu entreißen.
Und zweitens ist Infineon in den letzten Jahren durch Übernahmen immer amerikanischer geworden, sodass es wahrscheinlicher wird, dass der Konzern ins Visier der einen oder anderen Seite gerät. Dass Infineon seit der Akquisition von Cypress einige der besten Speicherbausteine im Angebot hat, von denen einige auch speziell für militärische Anwendungen geeignet sind, könnte dabei ein Faktor sein.
Chipfans, Augen auf!
Dass die Party bei Nvidia irgendwann einen Dämpfer bekommen würde, war absehbar. Bei Infineon ist die Lage schwieriger zu bewerten. Vordergründig scheint der deutsche Vorzeigekonzern nicht von der Auseinandersetzung zwischen China und den USA betroffen zu sein. Und viele der Trends, von denen Infineon bisher profitiert, dürften auch in Zukunft anhalten.
Von daher erscheinen die zurückgekommenen Kurse bei Infineon attraktiv. Aber man sollte im Hinterkopf behalten, dass die Risiken zuletzt gestiegen sind.
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Ein erneutes Aufflammen von Corona in China, Krieg innerhalb Europas und eine schwächelnde Industrie in Deutschland in Zeiten hoher Inflation und steigender Zinsen. Das sind ziemlich viele Risiken, die deinem Depot nicht guttun.
Hier sind vier Schritte, die man unserer Meinung nach immer vor Augen haben sollte, wenn der Aktienmarkt einen Rücksetzer erlebt.
Ralf Anders besitzt keine der genannten Aktien. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Nvidia.