KGV oder KUV? So bewertest du Aktien richtig

Ein Taschenrechner umgeben von Euro-Münzen und Geldscheinen
Foto: Bruno /Germany via Pixabay

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) sind absolute Klassiker in der Aktienbewertung. Was vielleicht daran liegt, dass sie so einfach zu berechnen sind, aber dennoch eine gewisse Aussagekraft haben. Zur Berechnung des KGV teilt man den aktuellen Aktienkurs durch den Unternehmensgewinn je Aktie (oder wahlweise die Marktkapitalisierung durch den gesamten Unternehmensgewinn). Beim KUV ersetzt man einfach den Gewinn durch den Umsatz.

Bei beiden Kennzahlen gilt der einfache und intuitive Grundsatz: Je niedriger, desto günstiger. Klar: Wir suchen alle nach Investments, die möglichst viel abwerfen im Verhältnis zu einem möglichst kleinen Investment.

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Aber welche Kennzahl ist die aussagekräftigere? Ist überhaupt eine Bewertungskennzahl besser als die andere? Und gibt es möglicherweise eine Art Aktien-Weltformel, nach der man KGV und KUV in einem bestimmten Verhältnis kombinieren kann, um das perfekte Bewertungsmaß zu erhalten?

Die Limitationen von KGV und KUV

Das KGV eignet sich ziemlich gut, um ausgewachsene Unternehmen zu bewerten, sowie um Bewertungen ähnlicher Unternehmen miteinander zu vergleichen. In zwei Fällen jedoch werden die Werte schnell unsinnig: Bei wachstumsstarken Unternehmen und bei unprofitablen Unternehmen.

Unternehmen, die jedes Jahr deutlich zweistellig wachsen, weiteres Potenzial vermuten lassen und die so viel investieren, dass kaum Gewinn übrig bleibt, haben nicht selten dreistellige KGVs. Amazon und Netflix sind prominente Beispiele, für die das jahrelang galt – und deren Kurse trotz der augenscheinlich hohen Bewertung sogar weiter steigen konnten. Noch verrückter wird es, wenn statt einem Gewinn ein Verlust anfällt: Dann wird das KGV plötzlich negativ! In diesem Moment ist wirklich jede Aussagekraft dahin.

In diesem Moment hat das KUV seinen schillernden Auftritt. Denn im Gegensatz zum Gewinn kann der Umsatz gar nicht negativ sein. Wir erhalten hier also wirklich bei jedem Unternehmen einen zumindest halbwegs aussagekräftigen Wert.

Doch auch das KUV ist nicht perfekt. Denn bei sehr wachstumsstarken Unternehmen erleidet es dasselbe Schicksal wie das KGV – es steigt in wahnsinnige Höhen.

Zudem mangelt es dem Kurs-Umsatz-Verhältnis letztlich schlichtweg an Relevanz, da der langfristig mit Abstand wichtigste Treiber von Aktienkursen das Gewinnwachstum ist. Die Umsatzentwicklung stellt lediglich eine Stellgröße dar, über die der Gewinn beeinflusst werden kann – genauso wie die Gewinnmarge: Umsatz mal Gewinnmarge ist gleich Gewinn. Da je nach Unternehmen und Branche ganz unterschiedliche Gewinnmargen möglich sind, sind auch ganz unterschiedliche „faire” KUVs möglich, je nachdem, ob bei einem Unternehmen regelmäßig 3 % oder 20 % vom Umsatz als Nettoergebnis hängen bleiben.

Wann du welche Kennzahl einsetzen solltest

Wie können wir die Kennzahlen also optimal nutzen? Ich denke, dass dem KUV vor allem eine Rolle als Rechengröße zukommen sollte, über die man eine Art erwartetes KGV ermitteln kann.

Ein Beispiel: Das fiktive Social-Media-Unternehmen Y Corp. machte in den letzten 12 Monaten 2 Mrd. US-Dollar Umsatz und 500 Mio. US-Dollar Verlust. Es ist an der Börse mit 50 Mrd. US-Dollar bewertet, was ein KUV von 25 ergibt. Das KGV ist aufgrund der roten Zahlen negativ und damit unbrauchbar.

Allerdings ist bekannt, dass Y Corp. stark in zukünftiges Wachstum investiert – und dass statt einem Verlust von 500 Mio. US-Dollar möglicherweise ein Gewinn von 200 Mio. US-Dollar drin gewesen wäre, hätte das Unternehmen konservativer gewirtschaftet. Auch für die Zukunft erscheint es realistisch, dass das Unternehmen langfristig eine Gewinnmarge von 10 % erzielen kann. Wir können auf Basis dessen ein erwartetes KGV von 250 berechnen.

Das ist schonmal eine wesentlich bessere Größe, um zu beurteilen, wie günstig oder teuer ein Investment in Y-Aktien wäre. Schließlich bezieht sie sich auf die tatsächlich relevante Endgröße, den Gewinn, und nicht auf den Umsatz, der für die Aktienpreisbildung langfristig keine große Bedeutung hat.

Man könnte nun sogar noch einen Schritt weitergehen und das zukünftige Wachstum mit in die Bewertung einbeziehen: Wenn sich abzeichnet, dass Y Corp. seine Umsätze in den nächsten fünf Jahren verdreifachen kann, würde 2028 ein rechnerisches KGV von 250 / 3 = 83,3 stehen. Dann wird langsam deutlich, dass ein Investment in Y-Aktien ein sehr teures Unterfangen sein könnte, und dass es vielleicht bessere Investmentchancen gibt.

Die Aktien-Weltformel

Erwartetes KGV, Wachstum einrechnen … so weit, so gut. Und so kompliziert. Gibt es nicht vielleicht einfach eine simple Formel, die all das miteinander kombiniert, sodass am Ende eine einzige Zahl steht, die schlicht und ergreifend sagt: Investieren, oder nicht investieren?

Schön wäre es doch, wenn der Aktienmarkt so eine genaue Wissenschaft wäre. Aber die Aktienanalyse und -bewertung ist in der Wirklichkeit mindestens genau so viel Kunst wie Wissenschaft. Es gibt keine Formel für das Malen der Mona Lisa – und auch keine, um die beste und perfekte Aktie zu finden.

Vielleicht ist das aber gar nicht mal so schlecht. Schließlich eröffnet die Unsicherheit, die das Investieren in Aktien mit sich bringt, überhaupt erst die Chance, mit Aktien Überrenditen zu erzielen. Oder anders gesagt: Gäbe es eine Aktien-Weltformel, würde sie jeder kennen und benutzen, wodurch alle Aktien jederzeit perfekt bepreist wären – und der Aktienmarkt völlig leblos und tot.

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Christoph Gössel besitzt Aktien von Amazon. Aktienwelt360 empfiehlt Aktien von Amazon und Netflix.



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