Forscht Volkswagen für die Tonne?
Bei Volkswagen (WKN:766403) werden unglaubliche Mittel in die Forschung und Entwicklung gesteckt. Ein technischer Vorsprung ist derzeit trotzdem aber kaum erkennbar. Deshalb bin ich mal der Frage nachgegangen, was dort eigentlich los ist und ob es noch Hoffnung gibt.
Der Forscher-Primus
Seit Jahren gilt der Volkswagen-Konzern als eines der forschungsintensivsten Unternehmen. Die PwC-Tochter Strategy& führt die Wolfsburger sogar seit 2012 jedes Jahr auf der ersten Position, noch vor Giganten wie Samsung, Novartis oder Microsoft. Vor der Finanzkrise befand man sich noch nicht einmal in den Top 10.
Volkswagen hat also ganz klar die Krise als Chance erkannt und massiv investiert, als andere zurückgewichen sind. Das war mutig und richtig, wie ich finde. Allerdings wäre zu erwarten gewesen, dass der Konzern sich damit technologisch vom Wettbewerb absetzen kann. Fast monatlich wurden damals neue Investitionen verkündet. Mal gab es neue Technologiezentren für einzelne Töchter, und bei anderer Gelegenheit wurde die Konzernforschung ausgebaut. Die Porsche-Tüftler wurden integriert und nebenbei weitere Ingenieurskapazitäten übernommen.
Hier wurden die wahrscheinlich umfangreichsten kommerziellen Forschungskapazitäten aller Zeiten zusammengezogen, von der Größe her wohl vergleichbar mit dem amerikanischen Mondlandungs-Apollo-Programm. Aber was kommt dabei raus?
Unbefriedigende Resultate
Beim Dieselmotor sind die Ingenieure bekanntlich gescheitert, aber das ist noch längst nicht alles. In der Fachpresse wird teilweise beklagt, dass die Audi-Modelle gegenüber ihren Pendants bei Mercedes und BMW (WKN:519000) technisch im Rückstand seien. Das wirkt sich bereits auf die Absatzzahlen aus.
Hinzu kommt, dass der Konzern acht Jahre nach der Verkündung des Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität der Bundesregierung kaum mehr als Konzeptfahrzeuge zu bieten hat.
Weder den Sportwagen von Tesla (WKN:A1CX3T), noch Spaßfahrzeugen wie dem Kia Soul EV hat der Konzern viel entgegenzusetzen. Die Entwicklung des attraktiven Skoda Yeti mit Elektroantrieb überließ man den Ingenieuren von Kreisel Electric aus Österreich. Am ambitioniertesten ist da noch das Minifahrzeug VW e-up. Die Stückzahlen bewegen sich aber auch dort in engen Grenzen. Wenn jetzt im Frühjahr die neuen elektrifizierten Smart-Modelle erhältlich sind, dann hat sich das Thema voraussichtlich ebenfalls erst mal erledigt.
Es kommt die Vermutung auf, dass man sich verzettelt hat.
Vielfältige Ursachen
Klar, der unerwartete Rückschlag durch die sogenannte Dieselthematik verzerrt das Ergebnis etwas. VW wurde dadurch ganz schön ausgebremst. Andererseits stellten die Ingenieure deswegen nicht ihre Arbeit ein. Möglicherweise wurde bei den Wolfsburgern zu viel auf einmal erforscht.
Weil man traditionell viel Rücksicht auf die Mitarbeiter nehmen muss, konzentrierte man sich darauf, die Fertigung wichtiger Elektrofahrzeug-Komponenten intern hinzubekommen. Schließlich drohen viele Arbeitsstellen wegzufallen, wenn irgendwann mal keine Verbrennungsmotoren und Abgasanlagen mehr gebraucht werden.
Forschung, die bei spezialisierten Zulieferern eigentlich gut aufgehoben wäre, wurde so doppelt gemacht, wobei unklar bleibt, wie gut es beispielsweise um die Wettbewerbsfähigkeit der intern gefertigten Elektromotoren steht.
Schwerwiegender ist allerdings der Zwang zur Perfektion. Wenn es um Verbrennungsmotoren ging, dann kannte man sich aus und präsentierte immer wieder zielstrebig einige der besten Antriebsstränge der Welt. Beim elektrifizierten Auto stellt sich die Situation anders dar.
Dutzende oder sogar hunderte völlig unterschiedlicher Konfigurationen sind möglich, wobei zahlreiche Fragen zu klären sind: Die Motor-Anordnung mit vier bei den Rädern, einem auf jeder Achse oder lediglich ein starker Zentralmotor? Welcher der diversen Motortypen weist die besten technischen und wirtschaftlichen Eigenschaften auf? Braucht man überhaupt noch ein Getriebe und wenn ja: Wie legt man es am besten aus?
Hinzu kommen unzählige ungeklärte Fragen rund um Themen wie Energiespeicher, Leichtbau, Lademanagement und die Effizienz von Verbrauchern, wie der Klimaanlage.
Volkswagen ging offenbar jeder einzelnen dieser Fragen gründlich nach. Man forschte, zweifelte, verwarf, fing von vorne an, baute ein neues Konzept und dann noch eins. So wurde zwar immenses Wissen aufgebaut, aber zunächst nur weniges zur Marktreife geführt. Die VW-Ingenieure wissen heute wahrscheinlich fast alles, was es darüber zu wissen gibt, aber wenn es um Erfahrung auf der Straße geht, hängen sie weit hinterher.
War deshalb alles für die Tonne?
Die Zukunft von VW: Mars oder Nirvana
Statt in der Breite alles zu erforschen, hätte man vielleicht auch irgendwo in die Spitze gehen sollen, indem man sich auf eine vernünftige Konfiguration festlegt und diese einfach mal von vorne bis hinten durchentwickelt. So macht man es wohl bei Tesla, wo sie mit viel weniger Mitteln auskommen müssen, aber besser darin sind, Produkte auf die Straße zu bringen.
Obwohl ich den starken Verdacht habe, dass bei VW vielfach nicht richtig effizient geforscht wurde, denke ich, dass nicht unbedingt alles umsonst war. Die konzernweiten Baukasten-Konzepte gelten branchenweit als Vorbild und es kam dabei immerhin ein umfassender modularer Elektrifizierungs-Baukasten heraus, der für viele zukünftige Modelle die Basis bilden wird.
Offenbar haben die Wolfsburger die Herausforderung der Elektromobilität mit einer Gründlichkeit angenommen, als ob es um die Marslandung ginge. Wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht haben, dann besteht noch Hoffnung, dass die Volkswagen-Rakete zünden und die angekündigte Elektro-Offensive ab 2019 eine erfolgreiche Mission wird – und nicht im Nirvana endet.
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Ralf Anders hält keine Wertpapiere genannter Unternehmen. The Motley Fool empfiehlt und besitzt Aktien von Tesla Motors. The Motley Fool empfiehlt BMW.