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Die 5 wichtigsten Lektionen für Anleger aus dem Wirecard-Skandal

Mann im Anzug mit leeren Hosentaschen
Foto: Getty Images

Seit Jahren steht es schon irgendwie im Raum. Jetzt ist es offiziell. Aktionäre von Wirecard (WKN:747206) wurden so richtig über den Tisch gezogen. Fast 2 Milliarden Euro Cash in der Bilanz von Wirecard sind einfach weg, existieren nicht (mehr).

Und das ist nur das, was bis jetzt (ich schreibe das am 22.6. morgens) bekannt ist. Wer weiß, was noch alles hinterm Busch gehalten wird. Auf jeden Fall ist klar, dass es sich hier um einen Betrug enormen Ausmaßes handelt ‒ wahrscheinlich um den schlimmsten Börsenbetrug in Deutschland überhaupt.

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Aber lamentieren hilft nicht weiter. Man kann aus diesem Skandal nur lernen. Hier sind vier Lektionen, die ich gelernt habe.

1. Aussagen eines Managements mit Vorsicht genießen

Das ist etwas, an das ich mich sowieso immer versuche zu erinnern. Geschäftsführer sind selten schlechte Rhetoriker. Sonst kämen sie viel schwerer in eine solche Position. Es ist daher leicht, sich von einem CEO um den Finger wickeln zu lassen. 

Auch ich war vom Auftreten Brauns teilweise begeistert. Zum Beispiel war ich von seiner vermeintlich langfristigen Denkweise beeindruckt, die er zum Beispiel in einem im Magazin Capital erschienenen relativ ausführlichen Interview Anfang 2019 zum Ausdruck brachte. Dort betonte er genau das und dass er nichts auf kurzfristige Aktienkursschwankungen gebe. So etwas ist Musik in meinen Ohren.

Außerdem besaß Braun selbst immer einen größeren Anteil aller Wirecard-Aktien. Das sorgt zusätzlich für Vertrauen.

Nur war in diesem Fall das Vertrauen offensichtlich komplett fehl am Platz. Die für mich wichtigste Lektion aus dieser Saga ist daher, dass man alles, was man von einem CEO hört, wirklich mit Vorsicht genießen muss.

2. Man sollte Finanzberichte lesen und hinterfragen

Die Finanzberichte von Wirecard der zehn Jahre von 2009 bis 2018 weisen aus, dass Wirecard

  • 2,4 Milliarden Euro Kapital durch sein operatives Geschäft erwirtschaftet hat,
  • 2,5 Milliarden Euro zusätzliche liquide Mittel aufbaute,
  • 1,9 Milliarden Euro Kapital über neue Schulden oder Kapitalerhöhungen einnahm.

Warum hat man in diesen zehn Jahren fast 2 Milliarden Euro Kapital frisch eingesammelt, wenn man es am Ende nur auf dem Bankkonto liegen lässt? 

Jetzt wissen wir, warum ‒ den Großteil des Bargelds gibt es überhaupt nicht.

Als ich diese Frage vor einem Jahr gestellt habe, war dies noch nicht bekannt. Trotzdem hat sie mich unter anderen davon abgehalten, trotz scheinbar hervorragender Aussichten für das Unternehmen in die Aktie zu investieren, da ich eine plausible Antwort nicht finden konnte.

Das Tolle daran ist, dass man kein Buchhaltungsexperte sein muss, um auf solche Fragen zu kommen. Es lohnt sich für jeden von uns, solche Plausibilitätschecks zu machen.

3. Keine Angst davor, falschzuliegen

Es sah lange so aus, als ob die obige Analyse falsch sei oder irrelevant. Immerhin gab es trotz zahlreicher anderer und noch viel detaillierterer Kritik von Journalisten und Leerverkäufern sehr viele Anleger ‒ auch professionelle ‒, die an Wirecard glaubten.

Man schaut dann oft dumm aus der Wäsche, wenn man auf seinem eigenen Standpunkt beharrt. Im schlimmsten Fall liegt man auch falsch. Aber das ist nichts Schlimmes.

Vielleicht hat man sich vertan. Vielleicht hat man etwas übersehen. Ich habe das in meinem Artikel auch so offen stehen lassen mit der Anmerkung, dass ich das komplexe Geschäft von Wirecard nicht ausreichend verstehe.

Was wäre dann passiert?

Ich bin mir sicher, dass sich über die Zeit eine plausible Antwort auf die Frage oben gefunden hätte. Dann hätte man noch immer in die Aktie investieren können. Wenn sich die Fakten ändern, kann man immer noch seine Meinung ändern.

Und in der Zwischenzeit konnte man sich mit anderen Aktien beschäftigen, bei denen man selbst zumindest weniger Zweifel hatte. Es ist ja nicht so, dass Wirecard die einzige tolle Story an den Aktienmärkten war.

4. Auch Profis machen große Fehler

Was mir bei Wirecard auffiel, ist, dass das Unternehmen nicht nur bei Kleinanlegern beliebt war. Auch professionelle Investoren sind auf den Schwindel reingefallen.

Selbst der von der Times so genannte Starmanager Alexander Darwall bezeichnete Wirecard noch nach einigen der Vorwürfe als „the best in the world“ („der Beste der Welt“). Er hatte einen größeren Anteil seines Fonds in der Wirecard-Aktie und verlor damit viel Geld.

Ähnlich erging es Tim Albrecht, Fondsmanager bei der DWS, einem laut eigenen Angaben weltweit führenden Vermögensverwalter. Er räumte seine nicht geringe Wirecard-Investition ebenfalls als Fehler ein. 

Ich schreibe das nicht, um diese beiden Fondsmanager zu verurteilen. Das steht mir gar nicht zu. Es zeigt nur, dass man sich stets seine eigene Meinung bilden und sich nicht zu sehr auf die Meinung anderer verlassen sollte.

5. Traue wirklich niemandem blind

Den größten Fehler machte allerdings jemand, von dem man so etwas als Außenstehender niemals hätte erwarten sollen: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY). 

EY hat die Finanzen von Wirecard jahrelang bestätigt. Wie kann es sein, dass im Jahr 2020 dann auf einmal fast 2 Milliarden Euro Cash nicht vorhanden sind?

Das ist für mich unerklärlich. 

Klar, Menschen machen Fehler. Aber dass man es übersieht, dass Milliarden an Bargeld eigentlich gar nicht vorhanden sind – trotz zahlreicher medienwirksamer Hinweise aus verschiedenen Richtungen, seit Jahren -, dafür fehlen mir die Worte.


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Offenlegung: Bernd besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.



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