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Wie die schlechtesten Investoren: Warum unsere Politiker und Medien mich in der Coronakrise Angst und Bange werden lassen

Foto: Getty Images

Bis fast Mitte März war das Coronavirus laut Medien und Politikern maximal so gefährlich wie eine Grippe. Damals habe ich argumentiert, dass diese Schlussfolgerung auf Denkfehlern beruht, die auch für Investoren schädlich sein können.

Vieles ist passiert seitdem. Dieses ehemals so ungefährliche Virus ist scheinbar über Nacht zu einer kontinuierlichen Bedrohung für die Menschheit geworden. Was sich aus meiner Sicht nicht geändert hat: Denkfehler über Denkfehler vor allem unserer Medien und bei unseren Politikern bei diesem Thema.

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Hier eine Auswahl der Denkfehler und wie man sie vermeiden kann. Hoffentlich hilft dies dem einen oder anderen Anleger diese in Zukunft besser zu beherrschen und dadurch besser zu werden. Bei den anderen erwähnten Gruppen habe ich leider wenig Hoffnung.

1. Der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias)

Der Bestätigungsfehler ist die Tendenz, nur auf Informationen zu hören, die unseren vorgefassten Meinungen entsprechen. Das ist wahrscheinlich der am meisten verbreitete Fehler unter Anlegern. Und auch in der aktuellen Krise ist er ständig zu beobachten.

Eine aktuelle Meinung der Entscheidungsträger und Medien offensichtlich, dass man um jeden Preis die weitere Ausbreitung des Virus verhindern muss – koste es, was es wolle. Auch wissenschaftlich begründete Argumente, die gegen diese Meinung sprechen, werden meiner Auffassung nach gerne ignoriert oder gar diskreditiert.

Zum Beispiel, dass die Positivenrate der Testergebnisse derzeit laut Experten deutlich innerhalb der Fehlerspanne der verwendeten PCR-Tests liegen. Anders gesagt: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die derzeit kolpotierte zweite Welle nichts anderes ist als eine statistische Fata Morgana. Die Todeszahlen bestätigen diese These. Diese tun — trotz meines Wissens nach in der EU jetzt aggressiverer Zählung — lange nicht das, was sie tun müssten, wenn es sich bei den Fallzahlen um tatsächlich infizierte Menschen handeln würde.

Beides wird von den verantwortlichen Politikern und Medien praktisch komplett ignoriert, weswegen aus meiner Sicht wie aus der Sicht nicht gehörter Experten derzeit ganz falsche Schlüsse gezogen werden.

Anstatt gegenteilige Sichtweisen zu ignorieren, sollte man sie hingegen aktiv suchen und die Argumente ergebnisoffen evaluieren. Dadurch kann man den Bestätigungsfehler umgehen – und so zu besseren Entscheidungen gelangen. Einem Investor kann dies langfristig ein deutlich besseres Vermögenswachstum bringen.

2. Der Dunning-Kruger-Effekt

Je mehr man weiß, desto mehr versteht man, wie wenig man weiß. Experten wissen viel. Gute Experten sind sich darüber hinaus dessen bewusst, was sie nicht wissen. Und die besten Experten setzen ihre intellektuelle Ehrlichkeit und Bescheidenheit ein. Sie vertreten ihre Meinungen daher oft mit weniger Überzeugung.

In der Coronadebatte habe ich leider viel zu oft das Gegenteil beobachtet. Zum Beispiel als Frau Merkel Ende Mai sagte: „Wir leben immer noch am Anfang der Pandemie.“

Zu diesem Zeitpunkt waren die Fall- und Todeszahlen sowohl in Deutschland als auch unter anderem in Schweden bereits rückläufig. Ein Risiko für das Gesundheitssystem — was als Grund für den Lockdown im März genannt wurde — war auf Basis der Zahlen unwahrscheinlich.

Das bedeutet zwar nicht, dass das Virus kein Problem mehr darstellen würde. Aber sich zu diesem Zeitpunkt sicher zu sein, dass man in Deutschland noch am Anfang der Pandemie stand, sehe ich als Zeichen des Dunning-Kruger-Effekts.

Als Entscheidungsträger und Investor sollte man sich daher immer bewusst machen, dass man sich ex ante einfach nicht sicher sein kann, wie es weitergeht. Man sollte ernsthaft in Betracht ziehen, dass es auch anders kommen kann, als man erwartet — und dann vor allem auch die Risiken der eigenen Entscheidung in Betracht ziehen.

3. Der Verfügbarkeitsfehler (Availability Bias)

Der Verfügbarkeitsfehler ist die Tendenz, die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen mit größerer „Verfügbarkeit“ im Gedächtnis zu überschätzen. Diese kann dadurch beeinflusst werden, wie neu die Erinnerungen oder wie ungewöhnlich oder emotional aufgeladen sie sind.

Es vergeht kein Tag, an dem wir erfahren, wie viele neue Coronafälle es gibt. Auch wird uns in Artikeln und Nachrichten regelmäßig berichtet, welche schlimmen Schicksale manche von Covid-19 Betroffenen erleiden müssen. Das alles lässt diesen neuen Virus für uns äußerst gefährlich erscheinen.

Ein Blick auf die Statistik und Studien offenbart hingegen, dass das von dem Virus ausgehenden Risiko in Deutschland aktuell sehr gering ist. Aktuell ist die Wahrscheinlichkeit, ein lebensveränderndes oder sogar -beendendes Ereignis durch das Virus zu erleiden nicht hoch. Wahrscheinlich ist der Straßenverkehr für die Verkehrsteilnehmer deutlich gefährlicher als das Virus.

Trotzdem ist es offensichtlich, dass die meisten Menschen mehr oder weniger große Angst vor dem Virus haben, wohingegen sie überhaupt nicht darüber nachdenken, was passieren kann, wenn sie ins Auto oder auf das Fahrrad steigen.

Beim Investieren passiert dieser Denkfehler oft aufgrund von Quartalsberichten. Man ist überrascht von den Ergebnissen und neigt dann gerne dazu, Ähnliches in der Zukunft zu erwarten – unabhängig davon, ob das wirklich wahrscheinlicher geworden ist.

Diesen Denkfehler zu vermeiden ist gar nicht so einfach. Was dabei stark hilft ist Erfahrung. Sie alleine reicht aber auch nicht aus. Eine tiefgründige Recherche und Analyse, die zu bestimmten Ergebnissen geführt haben und ob es Ähnliches in der Vergangenheit schon gab, ist jedoch sehr hilfreich.

4. Der Prävalenzfehler (Base Rate Bias)

Dieser Denkfehler macht uns gerade sehr zu schaffen. Aktuell sehen Medien und Politiker bereits die zweite Welle kommen. Dabei bezieht man sich auf die Anzahl der positiv auf das Virus getesteten Menschen in Deutschland. Diese waren in den letzten Wochen wie folgt:

KW24 KW25 KW26 KW27 KW28 KW29 KW30
2.716 5.136 3.603 3.012 2.938 3.408 4.364

Datenquelle: RKI

Man erkennt über diesen Zeitraum auch einen gewissen Anstieg der positiv getesteten Menschen.

Allerdings ist diese Zahl nicht aussagekräftig, ohne sie in das Verhältnis zu der Anzahl der durchgeführten Tests zu setzen:

KW24 KW25 KW26 KW27 KW28 KW29 KW30
Positiv getestet 2.716 5.136 3.603 3.012 2.938 3.408 4.364
Anzahl Testungen 326.645 387.249 466.743 505.518 509.398 537.334 563.553
Positivenrate 0,9 % 1,4 % 0,8 % 0,6 % 0,6 % 0,6 % 0,8 %

Datenquelle: RKI

Die letzte Zeile ist die entscheidende. Es wird in Deutschland einfach mehr getestet, alleine deswegen hat man schon höhere Fallzahlen. Die Positivenrate ist über diesen Zeitraum sogar gesunken. Dies scheint bei den Diskussionen gar keine Rolle zu spielen.

Ein noch schöneres Beispiel für diesen Denkfehler finde ich die Kommentierung des „schwedischen Modells“ beim Umgang mit der Coronakrise. Es wurde immer darauf hingewiesen, dass es in Schweden viel mehr Covid-19 Todesfälle je 100.000 Einwohner gibt und dass der deutsche Weg deswegen besser sei.

Schweden registrierte bis jetzt ungefähr 557 Covid-19 Todesfälle je einer Millionen Einwohner. Dafür wurde Schweden viel gescholten, wohingegen Deutschland für seine bis dato rund 113 Covid-19 Todesfälle je einer Millionen Einwohner gelobt wird.

Mit dieser Argumentation müssten wir jedoch jedes Jahr während der Grippewelle einen Lockdown machen, um Leben zu retten. In der Grippesaison 2017/2018 zum Beispiel schätzte das RKI die Anzahl der Grippetoten in Deutschland auf rund 25.000. Das sind ungefähr 306 Tote je einer Millionen Einwohner.

Mit dieser Betrachtung erscheint der schwedische Weg in einem ganz anderen Licht. Die Auswirkungen von Covid-19 scheinen in Schweden auf Basis nur dieser Zahlen nicht mehr als die einer besonders schweren Grippewelle zu sein. Zumindest, was die Todesrate anbelangt. Nicht berücksichtigt dabei ist das Risiko von Folgeschäden – dies scheint bei diesem Virus größer sein (wobei ich dazu noch keine Studien gesehen habe).

Auch bei Anlegern kann dieser Denkfehler zu einer Fehleinschätzung in der Coronakrise führen. Im nächsten Jahr – vorausgesetzt wir erleben keinen langen zweiten Lockdown – werden die Umsätze der Unternehmen vermutlich wieder stark steigen.

Ein Umsatzanstieg um zum Beispiel 30 % könnte auf den ersten Blick sehr gut aussehen und den 30%igen Umsatzrückgang in diesem Jahr vergessen machen. Die Zahlen sind frei erfunden, aber sicher denkbar für viele Unternehmen.

In Wirklichkeit ist ein 30%iger Anstieg nach einem 30%igen Rückgang aber nicht wirklich gut. Beide Jahre zusammengenommen würde das nämlich bedeuten, dass der Umsatz immer noch 9 % niedriger stehen würde.

Das Gute an diesem Denkfehler ist, dass man ihn sehr einfach vermeiden kann. Man muss alle Zahlen nur immer mit einem gewissen Menschenverstand betrachten und sich fragen, in welcher Relation man die jeweiligen Zahlen betrachten muss.

Für einen Investor bleiben solche Denkfehler nicht ohne Folgen

Ich bin sicher, dass dieser Artikel einigen Lesern sauer aufstoßen wird. Dabei hätte ich noch einige weitere Denkfehler anführen können. Zum Beispiel wurden aus meiner Sicht zu keiner Zeit die negativen Konsequenzen des Lockdowns ins Verhältnis zu den positiven Konsequenzen gesetzt.

Auch die kontinuierlichen Anpassungen der Ziele des Lockdowns – erst eine Erhöhung der Verdopplungsrate von 10 Tagen auf 14 Tage, dann auf die Senkung der Reproduktionszahl auf unter 1 – erschienen mir nicht auf einer rationalen Basis.

Oder dass man im neuen Schuljahr teilweise eine Maskenpflicht auch im Unterricht einführte, obwohl erst kürzlich eine in Sachsen durchgeführte Studie zeigte, dass die Dynamik der Virusverbreitung in Schulen überschätzt wurde.

Mit diesem Artikel möchte ich keinesfalls das Risiko des Virus herunterspielen. Ich habe im Bekanntenkreis selbst drei Fällen mit einem schwereren Verlauf und sogar Folgeschäden in Deutschland. Im Land der Familie meiner besseren Hälfte — Indonesien — sieht es noch schlimmer aus.

Aber auch die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus haben ihre Risiken. Meiner Meinung nach sollte man die Risiken des Virus gegen den Risiken zur Maßnahmen der Eindämmung dessen abwägen. Das scheint allerdings nicht passiert zu sein.

Wenn ich mir darüber hinaus anschaue, wie viele Denkfehler bisher gemacht wurden, wird mir ganz ehrlich Angst und Bange um unsere Zukunft. Wären Medien und Politiker als Investoren aktiv, wären sie vermutlich schon längst von der Bildfläche verschwunden – die Realität des Marktes hätte ihre Portfolios dezimiert.

Meine größte Hoffnung für unsere Zukunft ist, dass mir bei dieser Analyse selbst der eine oder andere Denkfehler unterlaufen ist, und meine Einschätzung total falsch. Aber das können Außenstehende besser bewerten, denn die eigenen Denkfehler zu erkennen ist um Längen schwieriger, als die Denkfehler anderer zu erkennen. Für Feedback auf diesen Artikel wäre ich daher umso dankbarer.


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