Investor AB – das europäische Gegenstück zu Berkshire Hathaway
1965 übernahm ein junger Mann namens Warren Buffett eine strauchelnde Textilfabrik in Massachusetts und formte daraus das wohl größte Konglomerat der Welt. Berkshire Hathaway (NYSE:BRK.A)(NYSE:BRK.B)(WKN: 854075)(WKN: A0YJQ2) ist heute (28.03.2023) an der Börse rund 660 Mrd. US-Dollar wert.
Anleger suchen oft nach Unternehmen, die sich mit Berkshire vergleichen lassen. Dabei werden häufig der Versicherer Markel (NYSE:MKL)(WKN: 885036) und unsere Navigator-Aktie Boston Omaha Corp. (NYSE:BOC)(WKN: A2DUKW) genannt. Nicht ohne Grund bezeichnet man beide auch als „Baby-Berkshires“.
Aber auch in Europa gibt es ein Unternehmen, das es mit der Investmentholding von Warren Buffett aufnehmen kann. Zwar betreibt die Investor AB kein Versicherungsgeschäft, aber in Sachen Beteiligungen und langfristigem Denken machen die Schweden den Leuten aus Omaha sogar noch etwas vor.
Die Gründung der Investor AB
Das Unternehmen wurde 1916 von der bekannten Industriellenfamilie Wallenberg in Stockholm gegründet. Aber die Geschichte geht sogar noch weiter zurück, bis ins Jahr 1856. Damals rief André Oscar Wallenberg die Stockholms Enskilda Bank (SEB) ins Leben, die an der Finanzierung der schwedischen Industrie – insbesondere der Unternehmungen der Familie Wallenberg – führend beteiligt war.
1916 erschwerte es eine neue schwedische Gesetzgebung Banken, langfristig Aktien von Industrieunternehmen zu halten. Der Aktienbesitz der SEB wurde auf die neu gegründete Investor AB übertragen und diese wiederum als eigenständiges Unternehmen aus der Bank ausgegliedert.
Bis heute ist die Familie Wallenberg direkt und indirekt über Stiftungen an Investor beteiligt. 21,93 % des Kapitals sowie 47,09 % der Stimmrechte sind der Familie zuzurechnen. Das nenne ich mal langfristig.
Die Struktur der Investor AB
Investor unterteilt sein Geschäft in drei Segmente.
Das bedeutendste Segment dabei ist der Bereich der „börsennotierten Unternehmen“. Dieser macht rund 70 % des Vermögens aus und hält Minderheitsbeteiligungen an weltbekannten Gesellschaften wie ABB (WKN: 919730), AstraZeneca (WKN: 886455), Electrolux (WKN: A3C35N) oder der SEB (WKN: 859768). Dabei übernimmt Investor über Posten im Aufsichtsrat durchaus eine aktive Rolle. Die Beteiligung an Astra, der Vorgängergesellschaft des heutigen Pharmariesen AstraZeneca, wurde übrigens 1924 erworben. Erwähnte ich bereits, dass Investor langfristig denkt und investiert?
Das zweite Segment nennt sich „Patricia Industries“. Hier finden wir nicht notierte Tochtergesellschaften (auch dies wieder die Parallele zu Berkshire), an denen Investor entweder alleine oder gemeinsam mit Partnern 100 % der Anteile hält. Das Hauptaugenmerk von Patricia Industries liegt auf dem Aufbau von Beteiligungen in den drei Branchen Medizintechnik, Industrie und Infrastruktur in Nordeuropa und Nordamerika. Patricia macht rund 20 % des Investor-Portfolios aus.
Die verbleibenden 10 % entfallen auf EQT Partners AB (WKN: A2PQ7G), einen Private Equity- und Infrastrukturinvestor mit rund 113 Mrd. Euro an verwalteten Kundengeldern. Investor hält knapp 15 % der Aktien und hat zugleich auch Mittel in vielen EQT-Fonds angelegt. EQT hatte zuletzt unsere ehemalige Aktienkompass-Empfehlung va-Q-tec AG (WKN: 663668) übernommen.
Die Aktienstruktur
Das Aktienkapital der Investor AB ist wie so häufig bei schwedischen Unternehmen in zwei Aktienklassen unterteilt. Es gibt knapp 1,25 Mrd. Aktien der Klasse A (WKN: A3CMTF), die eine Stimme pro Aktie gewähren, sowie gut 1,8 Mrd. Aktien der Klasse B (WKN: A3CMTG) mit einer Zehntelstimme pro Aktie.
Daher kommt es auch, dass die Wallenbergs trotz ihrer Beteiligung von „nur“ 22 % nahezu die Hälfte aller Stimmrechte besitzen.
Finanzen und Bewertung
Das Anlageportfolio von Investor erzielte im Jahr 2022 10,9 Mrd. Kronen (972 Mio. Euro) an Dividenden. Der Bereich Patricia Industries mit seinen Beteiligungen nahm 2022 54,3 Mrd. Kronen (4,8 Mrd. Euro) an Umsatz ein und erwirtschaftete daraus ein operatives Ergebnis EBITDA von 12,3 Mrd. Kronen (1,1 Mrd. Euro).
Unter dem Strich wies Investor im Jahr 2022 einen Verlust von 74,8 Mio. Kronen oder 6,7 Mio. Euro aus. Und auch hier gibt es wieder eine Parallele zu Berkshire Hathaway: Investor muss ebenso wie das Konglomerat aus Omaha Kursrückgänge im Anlageportfolio als Verlust im Jahresabschluss ausweisen. Da das Börsenjahr 2022 sehr schwach war, fielen entsprechend negative Zahlen an, die das eigentlich sehr gute operative Ergebnis überlagern.
Daher ist es bei Beteiligungsgesellschaften auch nicht wirklich sinnvoll, sich die Gewinn- und Verlustrechnung zu genau anzugucken und etwa mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zu arbeiten. Der „Net Asset Value“ (NAV), also der Wert aller Anlagen, vermittelt hier ein viel besseres Bild.
Investor leitet die Berechnung auf ihrer Homepage selbst her: Per Ende 2022 betrug der NAV 604,865 Mrd. Kronen (53,9 Mrd. Euro) oder 197,11 Kronen (17,57 Euro) pro Aktie. Bei einem aktuellen Aktienkurs von 198,68 Kronen gibt es die B-Aktien derzeit praktisch zum NAV zu kaufen. Im langfristigen Vergleich zeigt sich, dass eine Bewertung auf dem Niveau des NAV durchaus attraktiv ist:
(Grafik zur Verfügung gestellt von aktien.guide(*). Hier geht es zum Angebot von aktien.guide.(*))
Investor AB als attraktives Langfristinvestment
In diesem Sonderbericht habe ich euch ein europäisches Unternehmen mit Buffetts Philosophie vorgestellt. Eine Empfehlung im Service wird es allerdings nicht – mit einer Marktkapitalisierung von rund 600 Mrd. Kronen oder 54 Mrd. Euro ist es definitiv auch kein Nebenwert, sondern eines der größten Unternehmen Schwedens.
Mit gefällt aber das Geschäftsmodell, und der langjährige Vergleich mit Berkshire Hathaway zeigt, dass es anderen Marktteilnehmern auch so geht: Die B-Aktie von Investor hat ihr Gegenstück aus Omaha seit 2018 deutlich outperformt:
(Grafik zur Verfügung gestellt von aktien.guide(*). Hier geht es zum Angebot von aktien.guide.(*))
Ach ja, einen großen Unterschied zu Berkshire gibt es dann doch: Investor strebt die kontinuierliche Zahlung einer Dividende an. Für das Jahr 2022 sollen 4,40 Kronen (0,39 Euro) pro Aktie gezahlt werden, das sind 10 % mehr als für 2021. Anders als Berkshire betrachtet Investor eine regelmäßig steigende Dividende als Teil eines Gesamtpakets, das Anlegern eine überdurchschnittliche Rendite bescheren soll.
Bislang geht dieses Konzept auf – für mich ist Investor ein Top-Investment im Beteiligungsbereich.
Offenlegung: Peter Roegner besitzt Aktien von Berkshire Hathaway (B-Shares) und Boston Omaha Corp. Von Peter betreute Depots besitzen Aktien von Berkshire Hathaway (B-Shares). Aktienwelt360 empfiehlt Aktien von Berkshire Hathaway (B-Shares), Boston Omaha Corp. und Markel Corp.
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