Investor AB – das europäische Gegenstück zu Berkshire Hathaway
1965 übernahm ein junger Mann namens Warren Buffett eine strauchelnde Textilfabrik in Massachusetts und formte daraus das wohl größte Konglomerat der Welt. Berkshire Hathaway (NYSE:BRK.A)(NYSE:BRK.B)(WKN: 854075)(WKN: A0YJQ2) ist heute (04.04.2025) an der Börse rund 1,07 Bio. US-Dollar wert.
Anleger suchen oft nach Unternehmen, die sich mit Berkshire vergleichen lassen. Dabei werden häufig der Versicherer Markel (NYSE:MKL)(WKN: 885036) und unsere Navigator-Aktie Nelnet (NYSE:NNI)(WKN: 911438) genannt. Nicht ohne Grund bezeichnet man beide auch als „Baby-Berkshires“.
Aber auch in Europa gibt es ein Unternehmen, das es mit der Investmentholding von Warren Buffett aufnehmen kann. Zwar betreibt die Investor AB (WKN: A3CMTF und A3CMTG) kein Versicherungsgeschäft, aber in Sachen Beteiligungen und langfristigem Denken machen die Schweden den Leuten aus Omaha sogar noch etwas vor.
Die Gründung der Investor AB
Das Unternehmen wurde 1916 von der bekannten Industriellenfamilie Wallenberg in Stockholm gegründet. Aber die Geschichte geht sogar noch weiter zurück, bis ins Jahr 1856. Damals rief André Oscar Wallenberg die Stockholms Enskilda Bank (SEB) ins Leben, die an der Finanzierung der schwedischen Industrie – insbesondere der Unternehmungen der Familie Wallenberg – führend beteiligt war.
1916 erschwerte es eine neue schwedische Gesetzgebung Banken, langfristig Aktien von Industrieunternehmen zu halten. Der Aktienbesitz der SEB wurde auf die neu gegründete Investor AB übertragen und diese wiederum als eigenständiges Unternehmen aus der Bank ausgegliedert.
Bis heute ist die Familie Wallenberg direkt und indirekt über Stiftungen an Investor beteiligt. 22,01 % des Kapitals sowie 47,11 % der Stimmrechte sind der Familie zuzurechnen. Das nenne ich mal langfristig.
Die Struktur der Investor AB
Investor unterteilt sein Geschäft in drei Segmente.
Das bedeutendste Segment dabei ist der Bereich der „börsennotierten Unternehmen“. Dieser macht rund 68 % des Vermögens aus und hält Minderheitsbeteiligungen an weltbekannten Gesellschaften wie ABB (WKN: 919730), Atlas Copco (WKN: A3DLE9), AstraZeneca (WKN: 886455) oder der SEB (WKN: 859768). Dabei übernimmt Investor über Posten im Aufsichtsrat durchaus eine aktive Rolle. Die Beteiligung an Astra, der Vorgängergesellschaft des heutigen Pharmariesen AstraZeneca, wurde übrigens 1924 erworben. Erwähnte ich bereits, dass Investor langfristig denkt und investiert?
Das zweite Segment nennt sich „Patricia Industries“. Hier finden wir nicht notierte Tochtergesellschaften (auch dies wieder die Parallele zu Berkshire), an denen Investor entweder alleine oder gemeinsam mit Partnern 100 % der Anteile hält. Das Hauptaugenmerk von Patricia Industries liegt auf dem Aufbau von Beteiligungen in den drei Branchen Medizintechnik, Industrie und Infrastruktur in Nordeuropa und Nordamerika. Patricia macht rund 23 % des Investor-Portfolios aus.
Die verbleibenden 9 % entfallen auf EQT AB (WKN: A2PQ7G), einen Private Equity- und Infrastrukturinvestor mit rund 269 Mrd. Euro an verwalteten Kundengeldern. Investor hält rund 14 % der Aktien und hat zugleich auch Mittel in vielen EQT-Fonds angelegt.
Die Aktienstruktur
Das Aktienkapital der Investor AB ist wie so häufig bei schwedischen Unternehmen in zwei Aktienklassen unterteilt. Es gibt knapp 1,25 Mrd. Aktien der Klasse A (WKN: A3CMTF), die eine Stimme pro Aktie gewähren, sowie gut 1,8 Mrd. Aktien der Klasse B (WKN: A3CMTG) mit einer Zehntelstimme pro Aktie.
Daher kommt es auch, dass die Wallenbergs trotz ihrer Beteiligung von „nur“ 22 % nahezu die Hälfte aller Stimmrechte besitzen.
Finanzen und Bewertung
Das Anlageportfolio von Investor erzielte im Jahr 2024 15 Mrd. Kronen (1,37 Mrd. Euro) an Dividenden. Der Bereich Patricia Industries mit seinen Beteiligungen nahm 2024 63 Mrd. Kronen (5,75 Mrd. Euro) an Umsatz ein und erwirtschaftete daraus ein operatives Ergebnis EBITDA von 14,7 Mrd. Kronen (1,34 Mrd. Euro).
Unter dem Strich wies Investor im Jahr 2024 einen Gewinn von 113,2 Mrd. Kronen oder 10,3 Mrd. Euro aus. Und auch hier gibt es wieder eine Parallele zu Berkshire Hathaway: Investor muss ebenso wie das Konglomerat aus Omaha Kursveränderungen im Anlageportfolio als Gewinn oder Verlust im Jahresabschluss ausweisen. Da das Börsenjahr 2024 sehr stark war, fielen entsprechend positive Zahlen an, die so nicht in die Zukunft fortgeschrieben werden können.
Daher ist es bei Beteiligungsgesellschaften auch nicht wirklich sinnvoll, sich die Gewinn- und Verlustrechnung zu genau anzugucken und etwa mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zu arbeiten. Der „Net Asset Value“ (NAV), also der Wert aller Anlagen, vermittelt hier ein viel besseres Bild.
Investor leitet die Berechnung auf ihrer Homepage selbst her: Per Ende 2024 betrug der NAV 819,4 Mrd. Kronen (74,7 Mrd. Euro) oder 268 Kronen (24,44 Euro) pro Aktie. Bei einem aktuellen Aktienkurs von 274,35 Kronen gibt es die B-Aktien derzeit praktisch zum NAV zu kaufen. Im langfristigen Vergleich zeigt sich, dass eine Bewertung auf dem Niveau des NAV durchaus attraktiv ist.
Investor AB als attraktives Langfristinvestment
In diesem Sonderbericht habe ich euch ein europäisches Unternehmen mit Buffetts Philosophie vorgestellt. Eine Empfehlung im Service wird es allerdings nicht – mit einer Marktkapitalisierung von rund 838 Mrd. Kronen oder 76,4 Mrd. Euro ist es definitiv auch kein Nebenwert, sondern eines der größten Unternehmen Schwedens.
Mir gefällt aber das Geschäftsmodell, und der langjährige Vergleich mit Berkshire Hathaway zeigt, dass es anderen Marktteilnehmern auch so geht: Die B-Aktie von Investor (blaue Linie) muss sich hinter ihrem Gegenstück aus Omaha (rote Linie) nicht verstecken, wie dieser Vergleich der letzten zehn Jahre zeigt:
Quelle: Yahoo!Finance
Investor liegt bei der Kursentwicklung – ohne Berücksichtigung von Dividenden – leicht vorne, allerdings war der Vorsprung lange Zeit deutlich ausgeprägter.
Ach ja, einen großen Unterschied zu Berkshire gibt es dann doch: Investor strebt die kontinuierliche Zahlung einer Dividende an. Für das Jahr 2024 sollen 5,20 Kronen (0,47 Euro) pro Aktie gezahlt werden, das sind 8,3 % mehr als für 2023. Anders als Berkshire betrachtet Investor eine regelmäßig steigende Dividende als Teil eines Gesamtpakets, das Anlegern eine überdurchschnittliche Rendite bescheren soll.
Bislang geht dieses Konzept auf – für mich ist Investor ein Top-Investment im Beteiligungsbereich.
Offenlegung: Peter Roegner besitzt Aktien von Berkshire Hathaway (B-Shares) und Investor AB (B-Shares). Von Peter betreute Depots besitzen Aktien von Berkshire Hathaway (B-Shares). Aktienwelt360 empfiehlt Aktien von Berkshire Hathaway (B-Shares), Markel Corp und Nelnet. Alle Angaben per 4. April 2025.