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Märkte ändern sich. Du dich hoffentlich auch

Wie zahllos viele andere auch habe ich als junger Mensch das Buch Intelligent Investieren von Benjamin Graham gelesen. Das hat meine Vorstellung vom Investieren völlig verändert. Graham gab in seinem Buch mehr als nur Theorie preis. Er gab tatsächlich Anleitung – richtige Rezepte – damit Investoren günstige Aktien finden konnten. Die Anleitungen waren recht einfach und sinnvoll. Das sprach mich an. Ich hatte nämlich überhaupt keine Ahnung, was ich tat.

Aber eine Sache wurde mir schnell bewusst, als ich nach und nach die einzelnen Methoden ausprobierte: Keine einzige davon funktionierte.

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Graham schrieb, dass man Aktien kaufen sollte, die für weniger als ihren Nettowert gehandelt werden – also dem Geld auf dem Konto abzüglich aller Verbindlichkeiten. Das klang gut, aber es gab einfach keine Unternehmen mehr, auf die das zutraf. Außer vielleicht ein chinesisches Pharma-Unternehmen, das wegen Betrugs am Pranger stand oder eine Briefkastenfirma, die aus einer Garage in Jena-West betrieben wurde. Nein Danke.

Ein anderes Kriterium, das Graham propagierte, bestand darin, dass man Aktien vermeiden sollte, die bei mehr als dem anderthalbfachen ihres Buchwerts gehandelt werden. Hätte man diese Methode in den letzten Jahren beherzigt, hätte dies zur Folge gehabt, dass man nur Banken oder Versicherungen im Portfolio hätte. Das ist natürlich überhaupt nicht in Ordnung.

Intelligent Investieren ist eines der großartigsten Investment-Bücher aller Zeiten. Aber ich kenne niemanden, der Erfolg gehabt hätte, indem er eine von Grahams Methoden genau befolgt hätte. Das Buch ist randvoll mit klugen Ratschlägen – weit mehr als alle anderen Investmentbücher, die bisher publiziert wurden. Aber als ein Lehrbuch ist es nicht zu gebrauchen.

Das hat mich jahrelang gestört. Vor einem Jahr traf ich mich mit dem Wall-Street-Journalisten Jason Zweig zum Lunch, der mir erklärte, was passierte. Graham war nämlich ebenso praktisch wie er brillant war. Er war nicht nur Akademiker, sondern auch ein Manager, der damals schon so etwas wie einen Hedgefonds leitete. Er hatte kein Interesse daran, Strategien anzuwenden, die jeder andere schon kannte und nutzte und die damit wenig effektiv waren.

Zweig schrieb einmal: „In jeder neuen und durchgesehen Auflage hat Graham die Methoden der vorigen Auflage gelöscht und durch neue ersetzt, ganz in dem Sinne von: Die alten funktionieren nicht mehr, hier sind die neuen Strategien.

Die neueste Ausgabe von Intelligent Investieren wurde in den USA vor 42 Jahren herausgegeben. Wer weiß, wie die neuen Strategien von Graham aussehen würden, wenn er heute noch am Leben wäre?

Die Eckpfeiler von erfolgreichem Investieren sind zeitlos. Geduld, Denken, das gegen den Strom passiert und steuerliche Vorteile werden in 50 Jahren noch genauso wichtig sein wie heute.

Aber was spezifische Herangehensweisen angeht ist das ganz und gar nicht so.

Jede Strategie, die darauf aufgelegt ist, den Markt zu schlagen, muss folgendes Credo haben: „Heute arbeitet der Markt vielleicht gegen mich, aber in der Zukunft wird er für mich arbeiten. Und sobald das so ist, werden die Aktien steigen und ich davon profitieren.“ Was aber Investoren heute glauben und eventuell morgen annehmen ändert sich konstant. Zahlen, soziale Normen, Firmenpolicen sind den Zeitläuften unterworfen, was in einer Ära erfolgreich war, muss es noch lange nicht in einer anderen sein. Als Investor musst du dich daran anpassen.

Kurz vor seinem Tod im Jahr 1976 wurde Graham gefragt, ob die detaillierte Analyse von einzelnen Aktien – eine Sache, für die er berühmt wurde – noch immer eine lohnenswerte Strategie sei. Seine Antwort:

Ganz generell, nein. Ich glaube nicht mehr an elaborierte Vorgehensweisen und Sicherheitsanalysen, um perfekte Wertanlagen zu finden. Das war vor vielleicht 40 Jahren noch eine sinnvolle Strategie, als unser Lehrbuch „Graham and Dodd“ erstmals veröffentlicht wurde. Seitdem hat sich alles enorm verändert.

Stattdessen, so Graham weiter, war er davon überzeugt, ein Portfolio an Aktien zu kaufen, das einigen bestimmten Kriterien entsprach, beispielsweise P/E-Verhältnis oder hohen Dividenden. Worauf es aber tatsächlich ankam – und das ist das Entscheidende, wenn man von Graham lernt – ist die Veränderung in seinem Kopf.  Dass er sich auf die Veränderung eingelassen hat.

In seinem Investing vergleicht Robert Hagstrom Finanzmärkte mit biologischer Evolution. Es herrscht die Tendenz, dass man Märkte als etwas Festes und Unveränderliches wahrnimmt. Eine Anzahl Zahlen, mit denen jongliert wird. Aber das sind sie ganz und gar nicht. Märkte verändern sich und wachsen. Erfolgreiche Strategien setzen sich durch, während andere, die nicht mehr effektiv sind – in der Regel weil Investoren Zugang haben zu besseren Informationen – nach und nach nicht mehr befolgt werden.

Hagstrom warf einen Blick auf die letzten 100 Jahre und fand vier populäre Investmentstrategien, die kamen und gingen.

„In den 30ern und 40ern war ein möglichst großer Abschlag auf den Buchwert die vorherrschende Strategie. Nach dem Zweiten Weltkrieg und in den 50ern war es das Dividendenmodell. In den 60ern dann tauschte man diese Papiere gegen Unternehmen mit langfristigem Wachstumsversprechen ein. Und in den 80ern betrat eine vierte Strategie die Bühne: Investoren begannen, sich mehr für Cash Flow als für Einnahmen zu interessieren. Heute scheint es eine fünfte Bewegung zu geben: Cash-Einnahmen gegenüber investiertem Kapital.“

Wenn du dir nicht im Klaren darüber bist, dass sich die Märkte entwickeln und bewegen und deswegen manche Strategien einfach nicht mehr sinnvoll sind, wirst du nicht die allerbesten Entscheidungen treffen.

„Wenn du noch immer auf Abschlag auf den Buchwert oder Dividenden setzt, um zu erfahren, ob der Aktienmarkt steigt oder fällt, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass du auch nur geringen Erfolg eingefahren hast“, schreibt Hagstrom. Es gibt keine Annahme dazu zu glauben, dass diese Strategie zu Outperformance führt – fast niemand verlässt sich mehr darauf. Selbst wenn du Aktien findest, die günstig zum Abschlag auf den Buchwert gehandelt werden, dann kannst du dich darauf verlassen, dass niemand mit dir übereinstimmt… später dann.

Es verlassen sich heute derart viele Investoren auf Daten, die zeigen, dass diese oder jene Aktie überbewertet oder unterbewertet ist. Das können sie mit ausreichend Daten aus der Vergangenheit belegen.

Ich frage mich oft: Haben sich die Dinge geändert? Verlassen sich mittlerweile so viele Investoren auf beliebte Maßstäbe, dass sie jetzt weniger effektiv als in der Vergangenheit sind? Sollten wir es Graham gleichtun und unsere Analyse-Parameter ständiger Anpassung unterziehen und diejenigen aussortieren, die alt und ineffektiv sind?

Bis zum 1976 hatte der S&P 500 keine Finanz-Aktien aufgenommen; heute sind 16% des Index aus dem Finanzsektor. Tech war bis vor 50 Jahren noch ein Schwarzes Loch. Heute stellt Tech ein Fünftel des Index. Die Regeln der Buchhaltung haben sich geändert. Und damit auch Offenlegung, Wirtschaftsprüfung, Marktliquidität. Bis vor 40 Jahren gab es noch keine betriebliche Altersvorsorge in den USA. Den Markt heute mit dem Markt von vor 42 Jahren – der letzten Auflage von Intelligent Investieren – zu vergleichen, bedeutet Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Es gibt die scherzhaft gemeinte Aussage, dass „dieses Mal ist es anders“ die fünf teuersten Wörter beim Investieren sind. Und sicherlich tappen Investoren immer wieder in dieselben Fallen. Aber oft gilt: „Es ist immer anders.“ Die Dinge ändern sich. Solltest du auch tun.

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Dieser Artikel wurde von Morgan Housel verfasst. Er wurde am 31.3.2015 auf Fool.com veröffentlich und von Alexander Langer übersetzt, damit unsere deutschen Leser an der Diskussion teilnehmen können.



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