So überraschend einfach kann ein Manager Geschäftszahlen erheblich verbiegen
Hast du dich auch schon mal gefragt, wie man als Manager eigentlich die Zahlen seines Unternehmens verschönern kann? Das muss doch schwierig sein, oder? Leider nicht so ganz und ich zeige dir hier eine Möglichkeit, wie man mit nur einer ganz leicht veränderten Zahl riesige Summen aus seiner Bilanz bringen kann.
Um das Beispiel an echten Zahlen zu verdeutlichen, ziehe ich ganz willkürlich die Bilanz des umsatzstärksten deutschen Unternehmens heran, Volkswagen (ETR:VOW) (FRA:VOW). Nur um eines klar zu machen: VW ist, sofern ich das beurteilen kann, sehr ehrlich mit den Zahlen, die ich hier anschaue. Ich betrachte nur ein hypothetisches Beispiel, wie der Konzern seine Bilanz um ein paar Milliarden EUR Verbindlichkeiten erleichtern könnte.
Es geht um die Management-Annahmen bei Rentenplänen
Um das Beispiel zu verstehen, lass mich dir kurz erklären, wie ein solcher Rentenplan funktioniert:
- Ein Unternehmen verspricht seinen Mitarbeitern für den Ruhestand eine Betriebsrente.
- Die Höhe dieser Rente hängt meist von zwei Hauptfaktoren ab: Wie lange war der Mitarbeiter im Betrieb und wie hoch ist sein Gehalt im letzten Arbeitsjahr.
- Um diesen Verpflichtungen gegenüber seinen Mitarbeitern in der Zukunft nachzukommen, erstellt das Unternehmen für sie einen Rentenfonds und zahlt regelmäßig Geld ein.
Die Höhe dieser Zahlungen kann das Unternehmen nach eigenem Ermessen festlegen. Wichtig ist nur, dass der Rentenfonds ausreichend Kapital zur Verfügung hat, um den zukünftigen Rentenzahlungen nachkommen zu können.
Und wie viel Kapital ist ausreichend? Das hängt im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:
- Dem erwarteten Dienstalter der Belegschaft bei Rentenbeginn (je älter, desto größer die Verpflichtung)
- Dem erwarteten Gehalt der Belegschaft bei Rentenbeginn (je höher, desto größer die Verpflichtung)
- Dem erwarteten Zeitraum, über den die Belegschaft die Rente kassieren wird (also vom Rentenbeginn bis zum Tod)
- Der erwartete Rendite, die mit dem bereits im Rentenplan vorhandenen Kapital erzielt wird (je höher, desto geringer die Verpflichtung)
Ziemlich viele Annahmen — und damit ziemlich viel Spielraum für das Management, nicht? Und diese können die Bilanz eines Unternehmens gewaltig beeinflussen. Aber bevor ich dich jetzt weiter langweile, lass uns auf echte Zahlen des VW Konzerns werfen.
Der Rentenplan von VW
Ab 31. Dezember 2014 sah die Vermögenslage folgendermaßen aus:
Fondsvermögen | 9,2 Mrd. EUR |
Barwert aller Rentenverpflichtungen | 38,9 Mrd. EUR |
Quelle: VW Geschäftsbericht 2014 S. 244/245
Der Barwert der Rentenverpflichtungen beruht auf folgenden von VW Managern festgelegten Annahmen:
Erwartete Rendite des Rentenfonds | 2,3 % |
Jährlicher Gehaltsanstieg der Mitarbeiter | 3,3 % |
Durchschnittliche Rentenbezugsdauer | 19 Jahre |
Quelle: VW Geschäftsbericht 2014 S. 244/245
In Worten ausgedrückt heißt das Ganze: Wenn der Rentenfonds heute 38,9 Mrd. EUR zur Verfügung hätte, dann müsste er über die nächsten Jahrzehnte jedes Jahr damit eine Rendite von 2,3 % erzielen, um allen geschätzten Rentenverpflichtungen nachkommen zu können.
Im Moment beträgt das Fondsvermögen allerdings 9,2 Mrd. EUR. Die Differenz, immerhin fast 30 Mrd. EUR (oder rund 9 % der gesamten Bilanzsumme), ist das, was VW also heute zuschießen müsste, um dieses Defizit auszugleichen. Aber irgendwann muss diese Lücke geschlossen werden. Und deswegen finden wir diese Summe (30 Mrd. EUR) richtigerweise als Verbindlichkeit in der Bilanz.
Und dass das nicht nur eine hypothetische Verbindlichkeit ist, sehen wir in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) des Unternehmens. Die 2,3 % erwartete Rendite, die mit den fehlenden 30 Mrd. EUR nicht verdient werden können, treten dort nämlich als Aufwand auf. Im letzten Jahr waren das 788 Mio. EUR (Geschäftsbericht S. 246), immerhin rund 5 % des Konzerngewinns vor Steuern.
Diese Zahlen möchte ich hier aber nicht bewerten. Was ich heute zeigen möchte ist, wie Annahmen diese Zahlen beeinflussen können.
Und das haben VW Investoren in diesem Jahr zu spüren bekommen
2013 hatte VW noch eine Verbindlichkeit aus Rentenverpflichtungen von 29,7 Mrd. EUR angegeben (s. 244 des GB 2014). Innerhalb eines Jahres stieg diese Verbindlichkeit also um rund 9 Mrd. EUR auf 38,9 Mrd. EUR. Und der Grund ist nicht, dass alle Mitarbeiter ein Jahr länger gearbeitet haben und deswegen höhere Rentenansprüche haben (dieser Teil macht nämlich gerade einmal 728 Mio. EUR aus).
Der Hauptgrund ist, dass VW die erwartete Rendite für den Rentenfonds von 3,7 % auf 2,3 % korrigierte (S. 242 des GB 2014). Diese vermeintlich kleine Korrektur ist für eine zusätzliche Verbindlichkeit von 8,1 Mrd. EUR verantwortlich.
Hoppla!
Aber umso mehr Respekt vor dem Management, dass es so ehrlich war, diese Korrektur durchzuführen.
Aber da kann einem Investor schon mal kurz schwindlig werden. Und würde VW seinen Geschäftsbericht basierend auf US-Buchhaltungsregeln (US GAAP) erstellen, dann müsste der Konzern diese Summe zusätzlich über mehrere Jahre hinweg abschreiben. Das würde den berichteten Gewinn weiter um mehrere 100 Mio. EUR pro Jahr schmälern. Da VW nach internationalen Buchhaltungsregeln berichtet (IFRS), findet sich diese Summe nicht in der GuV wieder.
Vorsicht also bei der Interpretation von Zahlen, oder: Investiere in vertrauensvolles Management
Diese Anpassung von 3,7 % auf 2,3 % hat dem VW Management sicherlich nicht geschmeckt. Umso mehr Vertrauen verdient das Management von Investoren. Denn das Beispiel zeigt, dass auch vermeintlich weniger wichtige Entscheidungen beträchtliche Auswirkungen auf die Geschäftszahlen haben können. Und wenn ein Manager zum Ziel hat, einen möglichst großen Gewinn mit möglichst geringen Verbindlichkeiten zu erwirtschaften, dann kann er das tun, indem er solche Zahlen einfach optimistischer auslegt.
Was ich dir mit diesem Beispiel mit auf den Weg geben möchte ist nicht, dass du dir die Zahlen immer ganz genau anschaust. Dann müsstest du alle möglichen anderen „Buchhaltungstricks“ ebenfalls verstehen. Es gibt einen einfacheren Weg: Investiere in Unternehmen mit ehrlichem und offenen Management. Es sollte seine Zeit nicht damit verbringen, Zahlen zu optimieren, sondern echten Mehrwert für die Investoren schaffen.
Bei VW scheint das laut diesem Beispiel, der Fall sein zu können. Leider ist das aber nicht immer so.
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Bernd Schmid besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.