Kursrückgang der Siemens-Aktie: Weitsichtige Anleger legen sich jetzt auf die Lauer

Siemens (WKN: 723610) befindet sich schon im Schlussquartal seines Geschäftsjahres. Die letzte Zahlenvorlage offenbarte gewisse Schwächen, die den Kurs nach unten zogen. Grund genug, uns das Ganze etwas genauer anzusehen. Der Dämpfer könnte eine Kaufgelegenheit darstellen.
Wichtige Erkenntnisse aus den Q3-Zahlen
Ein Punkt, der vielen Anlegern gar nicht gefallen dürfte, ist der Rückgang der Auftragseingänge bei Digital Industries unter das Niveau des Umsatzes. Das eigentlich auf Wachstum getrimmte Segment droht folglich weiter zu schrumpfen, nachdem nun beim Umsatz ein Minus von 2 % im Vorjahresvergleich gemeldet wurde. Vor allem schlechte Geschäfte bei der Automatisierung von Auto- und Maschinenbauern in Deutschland wurden als Grund angegeben und die Lage soll vor dem Herbst 2020 kaum besser werden. Nun stehen die Reduzierung von Zeitarbeitern und weitere Kostenkontrollen an, um die taumelnden Margen zu stabilisieren und wieder in den Zielkorridor zu heben.
Gas & Power wird gerade intensiv für die geplante Abspaltung vorbereitet. Noch ist der Problembereich aber nicht wirklich hübsch. Bei um 15 % einbrechenden Aufträgen und um 5 % zurückgehenden Umsätzen gingen auch die Margen in die Knie. Bei einem Verhältnis von bereinigtem Betriebsgewinn zum Umsatz von 3,6 % („EBITA“, also vor Zinsen, Amortisierung und Steuern) bleibt unterm Strich wohl kein Beitrag zum Nettogewinn mehr übrig.
Mobility wiederum beweist eindrucksvoll, dass der ganze Terz mit Alstom (WKN: A0F7BK) ziemlich unnötig war. Das bereits prall gefüllte Auftragsbuch wächst weiter und lässt auf Jahre hinaus wachsende Umsätze erwarten. Die branchenweit gute Auslastung hebt zudem die Margen komfortabel in den Wunschbereich. Auch deshalb kann sich der Gesamtkonzern zumindest einigermaßen in der Wachstumsspur halten.
Trotzdem wird der Gewinn je Aktie für das nur noch knapp zwei Monate dauernde Geschäftsjahr wohl auf gut 6 Euro zurückgehen, nach 7 Euro im Vorjahr. Obwohl sich der Konzern optisch ausgezeichnet entwickelt, stagniert der Gewinn also weiterhin, und das ist irgendwie schon enttäuschend.
Darum scheinen alle Anstrengungen ins Leere zu laufen
Siemens kommt mir manchmal vor wie eine Schlange – nicht wegen der Giftigkeit oder dem Gewürge, sondern wegen ihrer stets elegant glänzenden Haut, mit der sie immer am Boden entlangkriecht. Der Konzern ist ständig dabei, sich zu häuten, aber die Aktie tendiert im Gleichschritt mit den Gewinnen seitwärts.
CEO Joe Kaeser ist eigentlich zu Recht stolz auf das von ihm weiterentwickelte Gebilde. Siemens Gamesa (WKN: A0B5Z8) und Siemens Healthineers (WKN: SHL100) tut die Selbstständigkeit zunehmend gut und die früher kapriziöse Mobility ist mittlerweile ein Stabilitätsanker. Sinn ergibt auch die Fokussierung des Kerngeschäfts auf die Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung von Fabriken, Gebäuden und Infrastruktur. Hier kann Siemens seine Stärken voll ausspielen und die Industrie 4.0 gestalten wie kein anderes Unternehmen.
Aber dieses ständige Herumdoktern zur Optimierung der Organisation und zur Ausrichtung auf spannende Wachstumsthemen hat auch seinen Preis. Erstens müssen dafür ständig Akquisitionen getätigt werden, um komplementäre Technologie und Expertise in den Konzern zu holen. Zweitens erfordert die Strategie, schlecht performende Bereiche konsequent gesundzuschrumpfen, zu verkaufen oder aufzugeben. Solche Häutungsprozesse kosten jeweils eine Menge Geld, sei es für den Arbeitsplatzabbau, für die Integration, für Übernahmeprämien oder für Beratungskosten.
Zudem sind abgegebene Geschäftsbereiche oft Umsatzbringer, während viele der hinzugekauften Töchter zunächst noch relativ klein sind und ihr Potenzial erst noch entfalten müssen. Es ist zwar nicht ganz so wie die Börsenweisheit „Hin-und-Her macht Taschen leer“, aber ich denke, es geht ein bisschen in diese Richtung. Ich mag es, die zahlreichen Wachstumspotenziale von Siemens abzuschätzen, aber dabei die kostspieligen Optimierungsmaßnahmen zu ignorieren, wäre ein Fehler.
Warum die Zukunft trotzdem erfolgversprechend aussieht
Die große Frage, die ich mir daher stelle, ist, wie Siemens dasteht, wenn die Ausgliederung von Siemens Powerhouse nächstes Jahr gelingt und in der Folge auch für Mobility eine Lösung gefunden wird. Sind dann nach einem sich lang hinziehenden Transformationsprozess endlich alle Baustellen versorgt, sodass sich das Management auf die Entwicklung des Kerngeschäfts fokussieren kann? Oder wird der kostenintensive Zyklus dann von Neuem beginnen?
Im Moment sieht es für mich so aus, als ob praktisch alle Bereiche vor einer anhaltenden Wachstumsphase stehen. Starke Trends wie die Mobilitäts- und Energiewende sollten das Geschäft ebenso auf verschiedenen Ebenen antreiben wie das große Thema „Industrie 4.0“. Allerdings dachte man in früheren Zeiten auch, dass Solarenergie, Mobilfunk und Ölfeldausrüstung vor einer großen Zukunft stünden. Hinterher ging es nur noch um Schadensbegrenzung.
Deswegen war es so wichtig, dass Siemens viel in seine Technologie investiert, leistungsfähige Partnernetzwerke aufbaut und sich durch die Schaffung von attraktiven Plattformen wie etwa MindSphere vom Wettbewerb abhebt. Zu diesen Investitionen gehört beispielsweise die Übernahme von Mendix, die rasend schnell wächst und für den Erfolg von MindSphere meines Erachtens eine entscheidende Rolle spielt. Super finde ich auch, wie Siemens sich bei Themen wie 3D-Druck-Industrialisierung oder Wasserstoffelektrolyse in eine strategische Position gebracht hat.
Insgesamt bin ich daher zuversichtlich, dass sich die aufgestauten Potenziale von Siemens mittelfristig entladen werden, ohne dass negative Effekten sie wieder wie zuletzt neutralisieren. Die Markttreiber wirken sehr robust und die bis 2021 erneut frisch gehäutete Siemens-Schlange sollte spätestens dann in der Lage sein, auch mal einen Baum hochzukriechen.
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Ralf Anders partizipiert über ein von ihm betreutes Indexzertifikat an der Aktienentwicklung von Siemens und Siemens Gamesa und Siemens Healthineers. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.