AMS und OSRAM am Abgrund? Die Mathematik hinter dem Kurseinbruch und der Kapitalerhöhung
Was für ein Absturz! Nachdem weite Teile des Februars bereits übel für die Aktie von AMS (WKN: A118Z8) verliefen, ging es am Mittwoch zusätzlich zweistellig nach unten. Der OSRAM (WKN: LED400)-Käufer aus Österreich scheint in eine schwierige Lage geschlittert zu sein. Oder übertreibt der Markt hier maßlos?
Ja und nein, wie die folgende Analyse zeigt.
Die Vorgeschichte
In einer epischen Übernahmeschlacht ging AMS letztlich als Sieger hervor. Zu einem Preis von 41 Euro konnte sich der Sensorspezialist 59,9 % der ausstehenden Aktien von OSRAM sichern. Für 100 % der Anteile hätten die Österreicher insgesamt 4,5 Mrd. Euro in die Hand nehmen müssen.
Der Aufwand reduziert sich durch die geringere Andienquote auf etwa 3 Mrd. Euro, wovon 0,4 Mrd. Euro die Refinanzierung der Verbindlichkeiten von OSRAM ausmachen. Da der Kurs seit Dezember durchgehend deutlich oberhalb der Marke von 41 Euro notiert, konnte AMS auch nicht über die Börse weitere Anteile zukaufen.
Aber während der Angebotsphase konnten knapp 20 % der Anteile, zu einem großen Teil aus eigenen Barmitteln, in den Besitz gebracht werden.
Für die restlichen 40 % muss das Unternehmen nun etwa 1,75 Mrd. Euro organisieren, bevor im kommenden Quartal der Vollzug der Transaktion ansteht.
Eine überraschende Kapitalerhöhung
Im ersten Moment wäre die Verschuldung durch eine Komplettübernahme auf das 4,5-Fache des letzten Betriebsergebnisses vor Abschreibungen (EBITDA) hochgeschnellt, was als sehr hoch und riskant gilt. Deshalb wurde von Anfang an eine Eigenkapitalerhöhung im Umfang von etwa 1,65 Mrd. Euro vorgesehen. Eigentlich war geplant, dafür einen günstigen Zeitpunkt zu finden.
Die zunehmend düsteren Aussichten der Weltkonjunktur setzten das Management jetzt aber unter Druck. Der AMS-Kurs halbierte sich von 44 Euro (10.02.) auf jetzt nur noch 20,70 Euro (11.03.). Folglich musste die Anzahl der neu ausgegebenen Aktien deutlich größer ausfallen, um trotzdem auf die gewünschte Summe zu kommen.
Gleich 189.869.454 neue Aktien zum Bezugspreis von 9,20 Schweizer Franken werden nun vom 16. bis zum 30. März angeboten. Der hohe Discount stellt sicher, dass das Geld vollständig hereinkommt. Wer seine Position trotzdem nicht erhöhen will, der hat die Möglichkeit, seine bis 26. März separat handelbaren Bezugsrechte zu verkaufen.
Dabei ist zu beachten, dass „4 Bezugsrechte jeden berechtigten Aktionär zum Bezug von 9 angebotenen Aktien zum Bezugspreis ermächtigen“, wie AMS erläutert. Aus diesem Verhältnis von 4 zu 9 folgt, dass die Gesamtzahl von Aktien zukünftig 3,25-mal (9 Viertel + 1) so groß sein wird. Bisher betrug die Anzahl Aktien nämlich 84.419.826, bald werden es 274.289.280 sein.
Das ist schon eine heftige Verwässerung, sodass es nicht verwundert, dass der Kurs so stark eingebrochen ist. Lass uns ein Rechenbeispiel ansehen, um zu verstehen, vor welcher Wahl Anleger nun stehen:
(AMS-Kurs: 20,70 EUR) | Bezugsrechte ausüben | Bezugsrechte verkaufen |
Anzahl Aktien vorher | 40 | 40 |
Wert Aktien vorher | 828 EUR | 828 EUR |
Erlös Bezugsrechte (~12 EUR * 9/4 = 27 EUR pro Recht) | 0 EUR | 1080 EUR |
Investment neue Aktien (~8,70 EUR je Stück) | 783 EUR | 0 EUR |
Anzahl Aktien hinterher | 130 | 40 |
Wert Aktien hinterher | 2691 EUR | 828 EUR |
Barmittelveränderung | -783 EUR | +1080 EUR |
SUMME | 1908 EUR | 1908 EUR |
Tabelle: Erstellt vom Autor auf Basis von AMS-Informationen und Tradegate-Schlusskursen vom 11.03.2020
Wie sich das gehört, ergibt sich in beiden Fällen das gleiche Ergebnis, wenn die Bezugsrechte fair bepreist werden. Wichtig dabei ist, dass der Aktienkurs oberhalb von 17,40 Euro bleibt, wie meine Simulationsrechnung ergeben hat, damit die ganze Sache nicht ins Wasser fällt.
Was Anleger jetzt noch zu AMS wissen müssen
Fragwürdig finde ich bei alledem, dass die kurzfristig fremdfinanzierenden Banken offenbar auf diese Eigenkapitalerhöhung gedrängt haben. Normalerweise würde man doch denken, dass in Zeiten von Negativzinsen billiges Geld in Hülle und Fülle zur Verfügung stehen müsste. Warum also muss sich AMS nun mit diesem Kraftakt das Geld von den Aktionären holen?
Mein Eindruck ist, dass die Banken angesichts der sich nun weltweit ausbreitenden Krise dem Braten nicht mehr trauen. Zwar hat das Management noch vor wenigen Tagen bestätigt, dass die Ziele für das erste Quartal erreicht werden, was heißt, dass voraussichtlich ein operativer Gewinn von rund 100 Mio. US-Dollar eingefahren werden kann. Aber wie es über den 31. März hinaus weitergeht, bleibt unklar.
Ich denke, dass sowohl bei AMS als auch bei der sowieso noch ertragsschwachen OSRAM mit deutlichen Einbußen zu rechnen ist, sodass die ursprünglich geplante schnelle Schuldenzurückführung sich verzögern wird. Hinzu kommt, dass der Verkauf von OSRAMs Digitalsparte im aktuellen Marktumfeld nicht möglich sein wird. Auf die daraus erhoffte Sonderdividende aus München müssen die Österreicher also möglicherweise deutlich länger warten als gedacht.
Zusammengefasst: Einmalige Integrationskosten in Höhe von 400 Mio. Euro und 1,75 Mrd. Euro für die Übernahme der angedienten 40 % von OSRAM müssen getragen werden, obwohl vorerst keine Sonderdividende anfällt und das gemeinsame Nettoergebnis wahrscheinlich deutlich schlechter als prognostiziert ausfallen wird. Das hat die AMS-Pläne etwas durcheinandergebracht und die Banken wohl nervös gemacht.
Operativ bleibt die Kombination hingegen aussichtsreich, was man auch daran erkennen kann, dass die OSRAM-Aktie stoisch bei rund 45 Euro notiert. Mit der gestärkten Bilanz sollte AMS solide durch diese Krise kommen und die Integration von OSRAM stemmen können, um danach mit neuem Mut die Wachstumsstrategie voranzutreiben.
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Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.