Wartet hier die größte Dividendenenttäuschung seit 10 Jahren auf mich?

Ich gebe zu: Ich habe ein Faible für Dividendenaktien. Regelmäßige Ausschüttungen, solide Gewinne, klare Strategie – das klingt nach Sicherheit in einem unruhigen Markt. Genau deshalb zog mich Hafnia (WKN: A40S1F) an: viermal im Jahr Dividende, starke Margen, moderne Tankerflotte. Auf dem Papier sieht alles nach einem verlässlichen Ertragsbringer aus. Doch eine Erinnerung an 2014 sitzt bei mir tief. Damals hielt ich Aktien von Seadrill – einem Offshore-Giganten, der ebenso glänzende Zahlen präsentierte. Wenige Monate später war die Dividende Geschichte, die Aktie abgestürzt. Heute sehe ich bei Hafnia viele Parallelen: einen zyklischen Markt, ehrgeizige Ausschüttungen und ein Management, das Zuversicht predigt, obwohl die Frachtraten sinken.
Also: Wiederholt sich hier Geschichte? Oder ist Hafnia tatsächlich anders – finanziell stabiler, strategisch klüger und langfristig besser aufgestellt als Seadrill es je war? Die Antworten auf diese Fragen entscheiden, ob Hafnia ein unterschätztes Dividendenjuwel oder die größte Enttäuschung der kommenden Jahre werden könnte. Im Folgenden zeige ich dir, welche Lehren ich aus Seadrill gezogen habe – und weshalb Hafnia sie vielleicht endlich richtig umsetzt.
Die Narbe, die mein Denken geprägt hat
Ich war 2014 bei Seadrill investiert, dem Offshore-Champion aus dem damaligen Reich von John Fredriksen. Auf dem Papier sah damals alles stabil aus: üppige Dividende, großes Selbstvertrauen im Management, Wachstum auf allen Kanälen. Elf Monate später war der Spuk vorbei. Die Dividende wurde gestrichen, der Kurs brach massiv ein, und ich habe auf die harte Tour gelernt, was „zyklisch“ wirklich bedeutet: Wenn die Rahmenbedingungen kippen, fällt man nicht sanft, man fällt schnell. Diese Erfahrung prägt, wie ich heute auf Hafnia blicke.
Ich halte Aktien von Hafnia, einem der größten Betreiber von Produkttankern weltweit. Die Parallelen zu Seadrill springen ins Auge: ein zyklisches Geschäft, hohe Ausschüttungen und ein Management, das Zuversicht ausstrahlt. Gleichzeitig ist das Setup deutlich anders. Hafnia schüttet zwar viel aus, agiert jedoch in einem Markt mit breiterer Kundennachfrage (raffinierte Produkte statt Explorationsdienste) und besitzt eine Kostenstruktur, die auch bei Normalraten positive Beiträge zulässt. Das ändert die Risikobalance – nicht zu einem Selbstläufer, aber zu einem Szenario, in dem Disziplin und Bilanzqualität den Ausschlag geben.
Hohe Ausschüttung – und was das wirklich bedeutet
Die unangenehme Wahrheit zuerst: Hafnia zahlt viel aus. Eine Ausschüttungsquote von über 80 % heißt, vereinfacht, dass der Großteil des Gewinns an uns Aktionäre fließt. Das ist attraktiv, solange die Ertragsbasis trägt. Mein Seadrill-Reflex ruft: Vorsicht. Aber Vorsicht allein ersetzt keine Analyse. Entscheidend ist, ob das operative Fundament robust genug ist, um Schwankungen abzufedern. Hier hilft ein Blick auf die Gewinn- und Cashflow-Seite.
Für assetlastige Geschäftsmodelle wie Reedereien ist das EBITDA die nützlichste Startgröße. EBITDA heißt „Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen“. 2024 lag das adjusted EBITDA von Hafnia bei 992,30 Mio. Dollar, der Nettogewinn bei 774,00 Mio. Dollar. Ja, das vierte Quartal 2024 war schwächer (131,20 Mio. Dollar EBITDA; 79,60 Mio. Dollar Nettogewinn), aber auf Jahresebene bleibt die Linie intakt. Pro Aktie standen 1,52 Dollar Gewinn – ein Polster, das ich in zyklischen Sektoren explizit suche.
Im Kern verdient Hafnia Geld, wenn die TCE-Raten (Time Charter Equivalent; der standardisierte Brutto-Tagesumsatz eines Schiffs) höher sind als die OPEX (laufende Betriebskosten pro Tag). Genau hier liegt eine Stärke: 2025 sah ich in der Breite positive Spreads. Bei großen Schiffen lagen die TCE-Raten bei 38.241 Dollar pro Tag, die OPEX bei 8.299 Dollar. Die mittelgroßen Schiffe – das Rückgrat der Hafnia-Flotte – erzielten 22.967 Dollar bei 8.085 Dollar OPEX.
Die Operating Margin – der Anteil des operativen Gewinns am Umsatz – lag mit 15 % zwar unter dem Ausnahmejahr, aber über früheren Vergleichsniveaus. Gleichzeitig sank die Operating Leverage (wie stark Fixkosten den Gewinn hebeln) auf 84,90 %, was das Ergebnis weniger empfindlich gegenüber Umsatzdellen macht.
Bilanz und Liquidität
Ich bewerte jede Bilanz zuerst nach ihrer Fehlertoleranz. Hafnias Net Debt/EBITDA – also Nettoschulden geteilt durch EBITDA – lag bei 0,6. Diese Kennzahl beantwortet die Frage: Wie viele Jahre bräuchte das Unternehmen, um die Nettoschulden aus der aktuellen Ertragskraft zu tilgen? Unter einem Jahr ist komfortabel. Dazu kam ein Refinanzierungspaket über 715 Mio. Dollar (Laufzeit sieben Jahre, mit 32 Schiffen besichert und einer Aufstockungsoption von bis zu 417 Mio. Dollar). Der zentrale Effekt: Der Cash-Breakeven – der Tagesumsatz, ab dem Hafnia Cash generiert statt verbrennt – sinkt. Und ungenutzte Kreditlinien von rund 600 Mio. Dollar geben zusätzlichen Spielraum, wenn der Markt wackelt.
Das große Bild
Die globale Ölnachfrage wuchs 2024 und soll 2025 weiter zulegen. Entscheidender für Produkttanker sind die Refinery Runs, also der Durchsatz der Raffinerien. Nach aufgestauter Wartung zu Jahresbeginn dürften die Runs wieder anziehen. Mehr Durchsatz heißt mehr Benzin, Diesel und Flugkraftstoff – und damit mehr Transportvolumen auf Hafnias Routen. Die Flottenauslastung bewegt sich im mehrjährigen Mittel. Das ist genau das, was ich mir als Dividendeninvestor wünsche: eine solide Basis, auf der man kalkulieren kann.
Die Schließung des Suezkanals Ende 2023 zwang die Branche zu Umwegen über das Kap der Guten Hoffnung. Das trieb Preise und Kosten. Mit der Wiedereröffnung normalisieren sich Handelsflüsse und Kosten. Kurzfristig erwarte ich, so wie es das Management von Hafnia selbst skizziert, einen eher neutralen bis leicht negativen Effekt auf die Profitabilität.
Die US-Sanktionsbehörde OFAC hat Schiffe gelistet, die mutmaßlich in Transporte iranischen Öls verwickelt waren. Diese Einheiten sind im Schnitt 17 Jahre alt – für viele bedeutet das de facto den Weg in den Schrott. Laut Hafnia entspricht die so entfallende Tonnage ungefähr der gesamten Neubaufliste des Jahres 2025. Kommt hinzu, dass potenziell bis zu 410 Schiffe mit Russland-Bezug nachgezogen werden könnten, und große Importländer wie China und Indien problematische Tonnage meiden.
Die Dividende von Hafnia
Kommen wir zur Königsfrage. Hafnia zahlt vierteljährlich – die Ex-Tage lagen zuletzt im März, Mai, September und Dezember. Der Ex-Tag ist der Stichtag, bis zu dem du die Aktie besitzen musst, um die nächste Zahlung zu erhalten. 2025 wurden je Aktie bislang 0,32 Norwegische Kronen (0,03 Euro) im März, 1,04 Kronen im Mai und 1,21 Kronen im September ausgeschüttet. 2024 summierten sich die Zahlungen auf 12,47 Kronen pro Aktie. Das bedeutete zum Schlusskurs vom 30.Dezember 2024 eine Dividendenrendite von 20,5 %.
Die Ausschüttungsquote – also der Anteil des Gewinns, der als Dividende fließt – lag zuletzt bei 82,02 %, geglättet über drei Jahre bei 67,67 %. Wichtig ist auch die Kontinuität: Seit drei Jahren zahlt Hafnia verlässlich und hat in diesem Zeitraum die Dividende dreimal erhöht. Das Wachstum der Dividende zum Vorjahr lag bei 15,55 %, im Fünfjahresschnitt bei 87,67 %.
Mein Fazit
Wartet bei Hafnia also die größte Dividendenenttäuschung seit 10 Jahren auf mich? Vielleicht – doch noch spricht vieles dagegen. Hafnia steht sinnbildlich für die Gratwanderung zwischen Ertragsstärke und Übermut, zwischen Ausschüttungsfreude und Marktzyklus. Die hohe Ausschüttung mit 20 % Dividendenrendite ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines Systems, das funktioniert – solange die Balance stimmt. Schwankungen gehören in diesem Geschäft dazu. Ob daraus eine Enttäuschung oder eine Erfolgsgeschichte wird, entscheidet sich nicht an der nächsten Zahlung, sondern an der Fähigkeit von Hafnia, Kurs zu halten, wenn die See wieder rauer wird. Ich bleibe an Bord.
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Henning Lindhoff besitzt Aktien von Hafnia. Aktienwelt360 empfiehlt keine der erwähnten Aktien.

