Dein Anlageverhalten kostet dich 17.000 Euro in den nächsten 10 Jahren
In seinem allerersten Beitrag auf Fool.de hat Motley Fool Senior Analyst Matt Argersinger eindrucksvoll dargestellt, warum es sich lohnt, in Aktien zu investieren. Wir Deutschen scheinen aus irgendeinem Grund trotzdem keine Lust zu haben, die historischen Marktrenditen von 9 % mitzunehmen – nicht einmal jeder Zehnte von uns investiert aktiv in Aktien, schreibt Matt. Und das kostet uns im Schnitt jedes Jahr einen 4-stelligen Euro Betrag!
Ich möchte dir jetzt nicht raten, all dein Bargeld zu nehmen und es in Aktien oder ETFs zu stecken. Jeder von uns sollte für Notfallsituationen eine bestimmte Menge seines Vermögens in Bargeld oder kurzfristig verfügbaren Anlagen haben. Auf Geld, das du in Aktien steckst, solltest du mittelfristig nicht angewiesen sein müssen. Und es scheint, als ob viele deutsche Haushalte (zumindest diejenigen ohne eingefleischte Fools) einiges an Geld haben.
Schauen wir mal auf die Zahlen.
65.000 Euro Geldvermögen pro Einwohner
Laut der Deutschen Bundesbank verfügten die deutschen Privathaushalte (inklusive privater Organisationen ohne Erwerbszweck) Anfang 2014 über ein Gesamtgeldvermögen in Höhe von 5,2 Billionen Euro. Das entspricht einem Geldvermögen von rund 65.000 Euro pro Einwohner. Und wo das ganze Geld steckt, siehst du in der folgenden Grafik:
Den Bärenanteil davon haben wir in Bargeld und kurzfristig verfügbaren Einlagen – insgesamt sind das 40 %. Das entspricht fast 26.000 Euro pro Einwohner. Nicht einmal halb so viel haben wir in Aktien, Investmentfonds oder ähnlichem (z.B. Beteiligungen an GmbHs) angelegt. Übrigens, diese Gewichtung hat sich in den letzten 10 Jahren nicht signifikant verändert.
Nicht schlecht, oder? Aber bekommst du keine Bauchschmerzen, wenn du dir diese Zahlen mal auf der Zunge zergehen lässt? Brauchen wir im Schnitt 26.000 Euro, die uns kurzfristig in Notfallsituationen zur Verfügung stehen? Gut, wenn du einen Backpacking-Trip durch Französisch Polynesien planst, dann ja. Aber auf Bora Bora würde es eng werden, sollten 80 Millionen Deutsche dort hin wollen.
Jetzt ist die Frage, wie viel Geld wir kurzfristig zur Verfügung haben sollten. Lasst uns doch mal auf jemanden schauen, der uns in Sachen Geldanlage etwas voraus ist. Die folgende Grafik zeigt dir die oben angegebene Statistik im Vergleich zu den US-amerikanischen Privathaushalten (in der vorherigen Grafik waren langfristig, festverzinsliche Wertpapiere unter „Sonstiges“ aufgeführt, hier sind sie in „Wertpapiere und Anteilsrechte“ enthalten):
Wie du siehst, stellt sich bei unseren amerikanischen Freunden ein ganz anderes Bild dar – über die Hälfte ihres Geldvermögens haben sie in Aktien, Investmentfonds und anderen, langfristigen Anlagen geparkt. Man muss natürlich dazu sagen, dass das Gesamtgeldvermögen pro Kopf laut Allianz Global Wealth Report auch deutlich höher ist – die folgende Tabelle stellt die gerundeten Zahlen einmal gegenüber:
Privathaushalte in Deutschland | Privathaushalte in den USA* | |
Gesamt-Geldvermögen | 65.000 Euro | 121.000 Euro |
…davon in Bargeld und kurzfristig verfügbaren Einlagen | 26.000 Euro (40 %) | 16.000 Euro (13 %) |
…davon in Wertpapieren und Anteilsrechten | 15.000 Euro (23 %) | 67.000 Euro (55 %) |
*Konvertiert auf Basis des Wechselkurses vom 03.11.2014
Wie du siehst, haben die Amerikaner ein Geldvemögen, das rund doppelt so hoch ist wie unseres. Und trotzdem haben sie davon deutlich weniger als wir in kurzfristig verfügbaren Anlagen!
Wenn du jetzt noch berücksichtigt, dass wir hier in Deutschland eine wesentlich bessere soziale Absicherung haben als die Amerikaner – sei es im Falle von Krankheit oder Arbeitslosigkeit –, dann kommst du doch auch zu dem Schluss, dass wir eigentlich nicht unbedingt so viel Bargeld horten müssten, wie wir es im Moment tun, oder?
Unser Anlageverhalten kostet uns sehr viel Geld
Berechnen wir mal, was das für uns bedeutet. Nehmen wir an, der durchschnittliche deutsche Einwohner benötigt nur 10.000 Euro kurzfristig zur Verfügung stehendes Kapital. Im Moment hat er aber 26.000 Euro. Das heißt also, er könnte die übrigen 16.000 Euro hernehmen und langfristig anlegen – zum Beispiel in einen ETF, der in den kommenden 10 Jahren, sagen wir mal, die historische Rendite des DAX von 9 % pro Jahr erwirtschaften wird.
Stellen wir das mal dem gegenüber, was wir stattdessen erwirtschaften werden, wenn wir unser Anlageverhalten nicht ändern, also wenn wir diese 16.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto oder in einer ähnlich liquiden Anlageform haben. Und unterstellen wir dazu einen im Moment unvorstellbaren Zinssatz von im Schnitt 2 % über 10 Jahre. Die folgende Tabelle zeigt das Ergebnis:
ETF mit 9 % Rendite | Tagesgeldkonto mit 2 % Rendite | |
Zuwachs nach einem Jahr | 1.440 Euro | 320 Euro |
Gesamtzuwachs in 10 Jahren | 21.878 Euro | 4,862 Euro |
Über 17.000 Euro Differenz nach 10 Jahren! Damit könnte man einiges anstellen.
Nach Steuern wird es etwas weniger, aber wer will schon freiwillig auf so viel Geld verzichten? Ich weiß nicht, wie es um dich steht, aber ich würde ein paar großartige Reisen im (oder vor dem) Ruhestand machen – tropische Strände und Safaris in Afrika irgendjemand? Und selbst wenn du nicht darauf stehst, freiwillig auf 17.000 Euro zu verzichten möchtest du wahrscheinlich genauso wenig wie ich. Insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung hierzulande und den damit einhergehenden Problemen unseres Rentensystems …
Schlussgedanken
Wir Deutschen haben eine gehörige Menge kurzfristig verfügbaren Geldvermögens auf unseren Konten liegen. Über 50 % mehr als der Durchschnittsbürger in den USA. Das ist ironisch, denn wir haben eine wesentlich bessere, staatlich garantierte, soziale Absicherung – welche es unwahrscheinlich macht, dass der Einzelne plötzlich in eine Notsituation gerät, in der er auf so viel Geld angewiesen ist.
Nur auf eine soziale Absicherung kannst du dich immer weniger verlassen – unsere Rente. Je jünger du bist, desto wahrscheinlicher wirst du in Zukunft auf dein eigenes Erspartes angewiesen sein. Umso trauriger ist es zu sehen, dass die meisten Deutschen den Großteil ihres Geldvermögens in Anlagen stecken, deren Rendite von der Inflation aufgefressen wird.
Solltest du einer der wenigen sein, die es schon besser machen: herzlichen Glückwunsch! Und wie steht es um deine Verwandten, Freunde und Bekannte? Wahrscheinlich sind die meisten von ihnen noch nicht so weit. Aber du kannst ihnen helfen, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen, indem du ihnen die Möglichkeiten von ETF-Sparplänen und des Foolishen Investierens in Aktien aufzeigst.
Viel Erfolg dabei!
Der Bärenmarkt-Überlebensguide: Wie du mit einer Marktkorrektur umgehst!
Ein erneutes Aufflammen von Corona in China, Krieg innerhalb Europas und eine schwächelnde Industrie in Deutschland in Zeiten hoher Inflation und steigender Zinsen. Das sind ziemlich viele Risiken, die deinem Depot nicht guttun.
Hier sind vier Schritte, die man unserer Meinung nach immer vor Augen haben sollte, wenn der Aktienmarkt einen Rücksetzer erlebt.
Bernd Schmid besitzt Aktien und ETF-Sparpläne, um sein Geld für sich wirtschaften zu lassen.