Warum Volkswagen bei den Abgaswerten geschummelt hat
Der Aktienkurs des deutschen Automobilriesen Volkswagen (WKN:766403) musste am Montag einen herben Rückschlag hinnehmen. Der Einbruch der Aktie ist der Reaktion der Investoren auf die Manipulation der Emissionstests bei umsatzstarken VW-Fahrzeugen geschuldet.
Die VW-Aktie fiel an den europäischen Handelsmärkten um 18 %, nachdem die US-Umweltbehörde EPA „einen Rechtsverstoß“ von VW bekannt gemacht hat.
Der Rechtsverstoß enthält schwere Betrugsvorwürfe. Die EPA behauptet, dass bestimmte VW- und Audi-Dieselfahrzeuge „mit einer Software ausgestattet sind, die EPA-Emissionsstandards für bestimmte Luftschadstoffe umgehen kann.“ Das California’s powerful Air Resources Board (CARB) hat ähnliche Informationen veröffentlicht.
Was bedeutet das genau? Die EPA hat festgestellt, dass einige VW- und Audi-Modelle über eine Software verfügen, die erkennt, wann ein Emissionstest durchgeführt wird und dann die Motoreinstellungen so anpasst, dass das Fahrzeug den Emissionstest besteht. Wenn das Auto keinem Test unterzogen wird, sind seine Abgase viel schmutziger, als es das US-Gesetz erlaubt.
Das ist ein großes No-Go. Nach geltendem US-Recht kann gegen VW eine Geldbuße von bis zu 37,500 USD pro Fahrzeug erhoben werden. Die EPA glaubt, dass etwa 482.000 Fahrzeuge, die mit dieser Software ausgestattet sind, in den Vereinigten Staaten verkauft wurden. Somit könnte die potenzielle Strafe bis zu 18 Mrd. USD betragen.
Die US-Umweltbehörde teilte mit, dass VW bereits gestanden hat
VW-Verantwortliche haben offensichtlich bereits zugegeben, dass die betroffenen Fahrzeuge gegen geltendes Gesetz verstoßen haben. Hier ist die Kernaussage der Unterstellung der EPA:
„[Ein] ausgefeilter Software-Algorithmus bei bestimmten Volkswagen-Fahrzeugen erkennt, wann das Auto einem Emissionstest unterzogen wird und schaltet dann die vollen Emissionskontrollen nur während dieses Tests ein. Die Effektivität der Kontrolle der Schadstoff-Emissionen dieser Fahrzeuge verringert sich bei gewöhnlichen Fahrbedingungen aber deutlich. Dies führt dazu, dass Fahrzeuge den Emissionsstandards unter Laborbedingungen gerecht werden, aber die Stickstoffoxid-Abgabe bei normalen Bedingungen 40 Mal höher ist, als erlaubt.“ Stickoxid-Emissionen verursachen Smog.
„Die von Volkswagen entworfene Software ist ein sogenanntes Defeat Device, wie es vom Clean Air Act festgelegt wurde“, so die EPA. „Als die EPA und das CARB im September Erklärungen verlangten [für die Tests, die überhöhte Emissionswerte der betroffenen Fahrzeuge anzeigten], gab Volkswagen zu, dass die Autos mit Defeat Devices ausgestattet waren.“ [Hervorhebung hinzugefügt.]
Die EPA gab bekannt, dass VW- und Audi-Modelle, die über einen 2.0 Liter TDI Diesel-Vierzylinder vefügen und im Jahr 2009 oder danach vom Band gegangen sind, diese Software besitzen. Zu den betroffenen Fahrzeugen zählt der Jetta, Beetle, Golf und Passat von VW und der Audi A3. VW hat den Verkauf neuer – mit dem Motor ausgestatteten Fahrzeugen – erst einmal eingestellt.
Der inzwischen zurückgetretene Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn sagte in einer Mitteilung, dass VW uneingeschränkt mit den staatlichen Ermittlern zusammenarbeitet. Er sagte auch, dass das Unternehmen einen externen Ermittler hinzuziehen wird, um genau festzustellen, was passiert ist. Zudem entschuldigte sich Winterkorn für den Vertrauensbruch mit den Kunden und der Öffentlichkeit.
Aber diese ganze Geschichte eröffnet eine große Frage:
Was zur Hölle hat sich VW dabei gedacht?
Die Frage ist nicht, wieso VW Emissionstest umgehen wollte. Die Antwort darauf ist wohl sehr simpel: Die Autos fahren mit großer Wahrscheinlichkeit mit reduzierter Emissionskontrolle besser. Sie beschleunigen schneller und haben eine bessere Kraftstoffeffizienz. Damit schneiden sie besser in Verbrauchertests ab und geben bei Kunden-Testfahrten eine bessere Figur ab.
Die Frage ist, was VW sich dabei gedacht hat? Warum sollte ein VW-Angestellter die Existenz eines riesigen globalen Unternehmens aufs Spiel setzten, indem er eine Software entwickelt oder genehmigt, die eine entscheidende gesetzliche Anforderung umgeht?
Die Antwort ist vermutlich folgende:
- Diesel-Fahrzeuge machen einen großen Anteil von VWs Umsatz in den USA aus (22,9 % im letzten Monat)
- VW hat in den letzten Jahren Marktanteile in den USA verloren
- VW-Manager, die für den US-Absatz zuständig sind, befinden sich unter enormen Druck, diesen Trend umzubiegen
- VW hat einen Weg gesucht, die betroffenen Diesel-Fahrzeuge an den Mann zu bringen, obwohl Ingenieure nicht in der Lage waren, die Kraftstoffeffizienz und Leistung dieser Fahrzeuge wettbewerbsfähig zu halten, ohne gegen Emissionsstandards zu verstoßen
Jeder, der in solch einem großen Konzern gearbeitet hat, kann sich vermutlich ausmalen, wie so etwas passieren konnte. Aber das Ende vom Lied ist, dass diese Entscheidungen das Unternehmen in Gefahr gebracht haben.
VW hat jetzt extrem viel Ärger am Hals. Auch wenn diese Software nur in Fahrzeugen verwendet wurde, die für den US-Markt bestimmt waren, könnten die von der EPA und vom CARB verhängten Strafen gigantisch sein. Außerdem wird VWs Image sehr darunter leiden. VW zielt mit seinen Dieselfahrzeugen aufgrund ihrer starken Kraftstoffeffizienz auf umweltbewusste Verbraucher ab. Diese Verbraucher werden nun nicht all zu erfreut sein.
Wenn VW diese Manipulation auch in anderen Märkten praktiziert hat, könnten die Konsequenzen um ein Vielfaches schlimmer ausfallen. Aufsichtsbehörden der EU und der Bundesrepublik verlangen mehreren Quellen nach bereits nach Antworten. Auch China, wo die Regierung große Anstrengungen unternimmt, die Luftverschmutzung unter Kontrolle zu bekommen, wird sich vermutlich bald einschalten; wenn dies nicht schon der Fall ist. VW ist der größte Automobilhersteller in China. Wenn sich dort ein Betrug herausstellen sollte, könnten die Folgen noch gravierender sein als in den USA.
So schnell wächst kein Gras über die Sache
Aus Sicht der US-Regierung – und offensichtlich auch aus Sicht der deutschen Regierung – ist dies eine ziemlich große Nummer. Der potenzielle Schaden für VWs Cash-Reserven, laufenden Absatz in Schlüsselmärkten und globale Reputation ist immens. Und genau deshalb ist die VW-Aktie, die sich normalerweise nur schleichend bewegt, am Montag so tief abgestürzt.
Aus diesem Grund warne ich Anleger davor, jetzt zu einem Schnäppchenpreis zuzuschlagen. Es läuft schlecht für VW, aber es könnte sogar noch viel schlimmer kommen. Halte die Ohren offen.
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The Motley Fool hält keine der erwähnten Aktien. Dieser Artikel wurde von John Rosevear auf Englisch verfasst und am 21.9.2015 auf Fool.com veröffentlicht. Er wurde übersetzt, damit unsere deutschen Leser an der Diskussion teilnehmen können.