Volkswagen: Der Betrug könnte schlimmer sein als wir dachten
Volkswagen (WKN:766400) gab am Dienstag bekannt, eine interne Untersuchung hätte ergeben, dass weitere 800.000 Fahrzeuge von „Unregelmäßigkeiten” beim Schadstoffausstoß betroffen wären. Diese kommen jetzt noch zu den bereits 11 Millionen Fahrzeugen hinzu, die in dem weitreichenden Abgasskandal schon identifiziert wurden.
VW sagte, dass diese „Unregelmäßigkeiten” sich auf die CO2-Emissionen beziehen könnten. Sie gaben auch an, dass „die Mehrheit der betroffenen Fahrzeuge mit einem Dieselmotor ausgestattet sind”. Damit wird zum ersten Mal angedeutet, dass der Betrug sich auch auf Fahrzeuge mit Benzinmotor erstrecken könnte.
Aber VW hat doch erst die Vorwürfe der EPA abgestritten!
Dieses Geständnis kam einen Tag, nachdem die amerikanische Umweltbehörde EPA die Anklage gegen VW ergänzt hatte. Laut der EPA seien Modelle von VW, Audi und Porsche betroffen. Es handle sich dabei um die 3-Liter-V6-Ausführung des TDI-Dieselmotors, der auch mit einer Software ausgestattet worden sei, um die Ergebnisse bei Abgastests zu verfälschen. Aber bisher ist noch nicht klar, ob sich die Stellungnahme vom Dienstag darauf bezieht oder auf etwas Anderes.
Es war auch das erste Mal, dass Porsche in den Skandal hineingezogen worden war und das erste Mal, dass die für den Umsatz so wichtigen Audi SUVs betroffen waren. Porsche und Audi sind für den Hauptteil der Gewinne von VW verantwortlich. VW stritt die Anschuldigungen der EPA am Montag ab und sagte, man wolle mit der EPA zusammenarbeiten, um die Dinge zu klären. Die Andeutung von VW war, dass die EPA etwas missverstanden hätte.
Die EPA gab an, dass die Tests ergeben hätten, dass die Fahrzeuge bis zu neun mal mehr Stickoxide ausstießen als gesetzlich erlaubt. Stickoxide gehören zu den Stoffen, die Smog erzeugen. Laut dem Clear Air Act sind Emissionen in den USA stärker begrenzt als in Europa.
Welche Auswirkungen hat das?
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes am Dienstagabend, ist es schwer zu sagen. VW hält sich sehr bedeckt. Sie gaben zu, dass etwa 800.000 Fahrzeuge betroffen wären und dass die „wirtschaftlichen Risiken” bei etwa 2 Milliarden EUR liegen würden.
Das hört sich so an, als wäre das nur ein kleiner Zusatz zu dem, was wir bereits wissen und zu den 6,5 Milliarden EUR, die VW aus den Gewinnen des dritten Quartals genommen hat. Aber es könnte noch sehr bedeutend sein.
Zuerst einmal steht in der Stellungnahme vom Dienstag etwas von CO2 und nicht von Stickoxiden. CO2 ist ein Treibhausgas und die EU hat strenge Regeln, was die CO2-Emissionen betrifft. Es ist auch möglich, dass ein paar deutsche Ingenieure die amerikanischen Emissionsgesetze (die großen Wert auf Stickoxide legen) vielleicht nicht so ernst genommen haben. Aber sollte das Unternehmen auch eine spezielle Software eingebaut haben, um bei C02-Tests zu betrügen, dann könnte das noch großen Ärger mit den europäischen Regulierungsbehörden geben.
Zweitens lässt die Wortwahl in der Erklärung die Möglichkeit offen, dass der Betrug über die Fahrzeuge mit Dieselmotoren hinaus geht. Sollte VW auch bei Autos mit Benzinmotor betrogen haben, dann könnte das dem Skandal eine noch ganz andere Dimension geben. VW hat in China fast keine Dieselfahrzeuge verkauft, aber sie verkaufen sehr viele Benzinfahrzeuge im weltgrößten Markt für Neuwagen. Die chinesische Regierung unternimmt ernste Schritte gegen die Luftverschmutzung. Sollte sich herausstellen, dass VW auch in China betrogen hat, dann könnten die Konsequenzen enorm sein.
Weiß die VW-Führung das nicht oder geben sie es bloß nicht zu?
„Von Anfang an habe ich mich für eine gnadenlose und umfassende Klärung eingesetzt” gab CEO Matthias Müller in einer Erklärung zu Protokoll. „Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber es gibt keine Alternativen. Für uns zählt nur die Wahrheit. Das ist die Basis für die fundamentale Neuausrichtung, die Volkswagen braucht.”
Das muss er natürlich sagen. Aber es ist erstaunlich, dass die Führung von VW das alles erst jetzt herauszufinden scheint. Es muss doch dutzende, wenn nicht hunderte von Leuten im Unternehmen geben, die es wussten. Zumindest hätte jemandem auffallen müssen, dass da etwas komisch daran ist, wie sich die Motoren bei den Abgastests verhielten.
Es ist mittlerweile mehr als sechs Wochen her, seit die EPA die ersten Anschuldigungen gegen VW erhoben hatte (und mindestens acht Wochen, seit die VW-Führung zum ersten Mal vor der EPA zugegeben hatte, diese Software benutzt zu haben). Und trotzdem erfahren wir immer noch in kleinen Häppchen, was VW sonst noch getan hat, um die Emissionsgesetze in den USA und in anderen Ländern zu umgehen.
Liegt es daran, dass das interne Untersuchungspersonal solche Probleme damit hat, herauszufinden, was passiert ist? Oder liegt es daran, dass haufenweise Leute wissen, was passiert ist, aber keiner darüber sprechen will?
Solange diese Fragen nicht geklärt sind, werde ich keine VW-Aktien kaufen – egal wie billig sie auch sein mögen.
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The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
Dieser Artikel wurde von John Rosevear auf Englisch verfasst und wurde am 03.11.2015 auf Fool.com veröffentlicht. Er wurde übersetzt, damit unsere deutschen Leser an der Diskussion teilnehmen können