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Lufthansa am Scheideweg: Was bedeutet „Insolvenz in Eigenverwaltung“ für Aktionäre?

Kranich an der Wand
Quelle: Thomas Brantl

Die gesamte Luftfahrtindustrie liegt auf der Intensivstation und eine wirksame Therapie ist nicht in Sicht. Air France-KLM (WKN: 855111) hat bereits Tatsachen geschaffen: Paris garantiert einen 4 Mrd. Euro schweren Kredit zu 90 % und gibt noch ein Darlehen im Umfang 3 Mrd. Euro dazu. Weitere Mittel werden aus Amsterdam erwartet.

Um eine ähnliche Größenordnung geht es wohl auch bei der Lufthansa (WKN: 823212), bei der noch unklar ist, auf welche Weise die Liquidität sichergestellt werden soll. Zuletzt wurde sogar der Gang in ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung in den Raum gestellt. Würde das einen Totalverlust für Aktionäre bedeuten? Lasst uns einen genaueren Blick darauf werfen und einige Szenarien durchspielen.

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Die Lage der Lufthansa

Am 23. April berichtete das Management über die Liquiditätssituation und gab die verfügbaren Mittel mit 4,4 Mrd. Euro an, was sich eigentlich auf den ersten Blick nicht so schlecht anhört. Allerdings ging der Umsatz im März von 3 Mrd. Euro im Vorjahr auf 1,6 Mrd. Euro zurück, woraus sich ein Umsatzausfall von bis zu 5 Mrd. Euro für das zweite Quartal ableiten lässt. Im Vorjahresquartal lag die Materialaufwandsquote bei 54 %, sodass 5 Mrd. Umsatzausfall beim Rohgewinn 2,3 Mrd. Euro ausmachen.

Verschlimmernd kommt hinzu, dass die Lufthansa derzeit nicht von den historisch niedrigen Treibstoffkosten profitieren kann. Der Konzern sichert sich den Bedarf, wie in der Branche üblich, schrittweise im Vorfeld über Terminkontrakte ab. Bis Februar hatte er damit mit Sicherheit bereits mehr als heute nötig gekauft. Bis dahin kostete die Erdöl-Sorte Brent zwischen 50 und 70 US-Dollar. Heute sind es noch gut 20 US-Dollar und die Lufthansa muss wohl viele nun unnötig gewordenen Kontrakte mit Verlust abstoßen (bei Kerosin-Kontrakten sieht es entsprechend aus).

Das Management erwartet auch, dass der Wert vieler Vermögenswerte stark abgeschrieben werden muss. Dies ist zwar nicht direkt für die Liquidität relevant, aber es zeigt, dass die Lufthansa nur unter sehr ungünstigen Bedingungen Geld durch den Verkauf von Maschinen erlösen könnte. Gleichzeitig drehen die Banken den Geldhahn zu, solange es keine staatlichen Garantien gibt.

Da zu den 4,4 Mrd. Euro auch Kundengelder gehören, die aufgrund von stornierten Flügen zurückgebucht werden müssen, ist absehbar, dass spätestens im dritten Quartal Ebbe in der Kasse ist, wenn nicht wie durch ein Wunder zwischenzeitlich ein einigermaßen normaler Flugbetrieb aufgenommen werden kann.

Kommt das Schutzschirmverfahren?

Eigentlich war der Plan, dass die Lufthansa sich zu günstigen Konditionen einige staatlichen Milliarden aus Deutschland und der Schweiz besorgen kann. Bei der Condor hat es schließlich auch unkompliziert funktioniert. Allerdings gab es bei der ungleich größeren Lufthansa unter Parteien sofort ein Meinungsgewirr über das beste Vorgehen. Nicht wenige fordern, dass der Airline erhebliche Auflagen gemacht werden, damit sie grüner wird.

CEO Carsten Spohr fürchtet wohl, dass ein wettbewerbsfähiger Betrieb nicht mehr möglich sein wird, wenn amerikanische und asiatische Konkurrenten schalten und walten können wie sie wollen, während man selbst niedrig gehalten wird.

Insolvenz bedeutet heute nicht mehr zwingend Abwicklung. Wenn die Lufthansa sich in das Schutzschirmverfahren begibt, solange noch Liquidität vorhanden ist, dann kann sie den Versuch unternehmen, sich in Abstimmung mit einem bestellten Sachwalter selbst zu sanieren. Die Politik könnte man so heraushalten.

Ist das eine Verhandlungstaktik oder eine echte Alternative?

Die unmittelbare Folge wäre, dass den Aktionären die Kontrolle über das Unternehmen entrissen würde. Wie wir das bei anderen Sanierungsfällen wie Steinhoff International (WKN: A14XB9) beobachten konnten, übernehmen schnell die Gläubiger das Ruder. Sie würden gemeinsam mit den Konzernverantwortlichen und dem Sachverwalter einen Sanierungsplan erarbeiten. Soweit alle Seiten überzeugt sind, dass dieser gerecht ist und weniger Wert vernichtet als eine Liquidierung, würde er verabschiedet und umgesetzt.

Steinhoff musste über die letzten Jahre den Großteil seiner weitverzweigten Geschäfte verkaufen und auch die Lufthansa käme wohl nicht umhin, einige Beteiligungen zu Geld zu machen. Bei geschätzt über 500 Mio. Euro Barmittelabfluss pro Monat würde ein solcher Verkauf allerdings wohl nur einige Wochen oder wenige Monate Luft verschaffen. Der Großteil des Vermögens steckt eben in den Flugzeugen.

Bleibt also die Frage, woher weiteres Geld kommen würde. Nun, wahrscheinlich würde es überhaupt nicht kommen, denn es gilt weiterhin, was das Management schrieb: „Der Konzern rechnet nicht damit, den entstehenden Kapitalbedarf mit weiteren Mittelaufnahmen am Markt decken zu können.“ Stattdessen würde das Schutzschirmverfahren sicherstellen, dass nur noch unmittelbar betriebsnotwendiges Geld abfließen würde.

Die Verwässerung

Aktionären droht dann grundsätzlich ein Totalverlust und bei den Gläubigern wäre eine riesige Geldsumme im Feuer. Zum 31.12.2019 standen 8,4 Mrd. Euro langfristige Finanzschulden und 16 Mrd. Euro kurzfristige Verbindlichkeiten in der Bilanz. Allerdings steht den Gläubigern neben dem Nachschießen von weiterem Geld oder einem Schuldenschnitt noch eine dritte Option offen: Sie können ihre Ansprüche in Eigenkapital umwandeln – soweit sie sich einig werden.

Gläubiger würden also ihre Ansprüche zu festgelegten Konditionen für den Erwerb neuer Anteile einsetzen. Beim aktuellen Aktienkurs von 8 Euro müsste die Anzahl der Anteile wohl in etwa verdreifacht werden, um auf eine ähnliche Summe wie Air France-KLM zu kommen.

Die Lufthansa wäre dann wahrscheinlich zumindest bis zum Jahresende durchfinanziert, aber den aktuellen Aktionären würde nur noch ein Drittel des Unternehmens gehören. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass unter diesen Bedingungen die knapp 4 Mrd. Euro Marktkapitalisierung sich eigentlich schon heute nur noch auf ein Drittel des Unternehmens bezieht.

Wenn wir damit also eine Lufthansa bekommen, die 2021 wieder stabil auf eigenen Beinen steht und mittelfristig wieder Gewinne erzielen kann wie vor der Krise, wird sie dann zumindest das Dreifache und damit 11 bis 12 Mrd. Euro wert sein? Rund um den Jahreswechsel 2017/2018 war sie um einiges mehr wert, aber ansonsten meistens deutlich weniger. Möglich wäre es aber trotzdem, denn zumindest 1 Mrd. Euro Gewinn sollte in einigen Jahren wieder zu erwirtschaften sein, und das würde eine solche Bewertung rechtfertigen.

Für viele Altaktionäre wäre es ein bitteres Ergebnis, aber für Neuaktionäre zeigt sich, dass auch ohne Staat durchaus ein Deal möglich ist, der noch Chancen für Renditen offenlässt. Besser wäre es aber wahrscheinlich trotzdem, wenn der Staat dem angeschlagenen Konzern etwas unter die Arme greifen würde. Auf kooperative Gläubiger ist schließlich kein Verlass.

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Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.



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