Wie „Deutschlands beliebteste Bank“ 4,3 Milliarden verloren hat

Ein Haus aus Streichhölzern wurde angezündet und verbrennt.
Foto: Pixabay via Pexels

Die ING Groep (WKN: A2ANV3) hat sich in Deutschland lange Jahre als DiBa einen Namen gemacht. Heute bezeichnet sich die ING als „Deutschlands beliebteste Bank“. Und auch bei Investoren ist der Finanzkonzern beliebt. Er gilt als eines der stabilsten Institute Europas. Wie kann es da sein, dass in der Bilanz fast unbemerkt 4,3 Mrd. Euro verschwinden? Lasst uns genauer anschauen, warum ich glaube, dass dies für Anleger Anlass zur Sorge ist.

Auf den ersten Blick erscheint alles in Ordnung

Mit einer Marktkapitalisierung von 46 Mrd. Euro liegt ING in etwa gleichauf mit dem weltgrößten Rückversicherer Munich Re (WKN: 843002). Sie wies in den letzten Jahren regelmäßig Milliardengewinne aus. Vom Coronatief bei unter 5 Euro hat sich der Kurs deutlich erholt und notiert heute (13.03.) im Bereich von 12,50 Euro.

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Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 deutet darauf hin, dass Anleger der Bank eine solide Entwicklung zutrauen. Dafür spricht auch die außerordentlich geringe Risikoprämie, die bezahlt werden muss, um sich gegen einen Zahlungsausfall der ING abzusichern. Am 10. März lag der Wert niedriger als bei allen anderen europäischen Großbanken und weit unter dem Durchschnitt.

Ein zweiter Blick überrascht

In einführenden Vorlesungen zum Rechnungswesen lernt man, dass das Nettoergebnis in die Bilanz eingeht als Komponente der Innenfinanzierung. Bei Gewinnen erhöht sich so das Eigenkapital, bei Verlusten reduziert es sich um den entsprechenden Betrag.

Nun hat ING im vergangenen Geschäftsjahr einen Nettogewinn von 3,78 Mrd. Euro gemeldet. Aber statt einer Erhöhung um knapp 4 Mrd. Euro zeigt sich beim Eigenkapital eine Reduzierung um mehr als 4 Mrd. Euro. Das ist ein Unterschied von 8 Mrd. Euro! Wie kann das sein?

Wie das Minus von 4,3 Mrd. Euro zustande kam

Damit die Bilanz aufgeht, muss man noch zwei weitere Faktoren berücksichtigen:

1) Ausschüttungen
2) sonstige Komponenten des Gesamtergebnisses

Wird Vermögen in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen ausgeschüttet, dann reduziert dies nicht das Nettoergebnis, wohl aber das Eigenkapital. ING hat 2022 eine Menge ausgeschüttet. Der Konzern nutzte das zeitweise vergünstigte Kursniveau für Rückkäufe im Umfang von 1,6 Mrd. Euro, und für das vergangene Geschäftsjahr gab er über 2 Mrd. Euro für Dividenden aus.

Hinzu kam eine weitere Zahlung in Höhe von mehr als 1,5 Mrd. Euro, die sich auf das Geschäftsjahr 2021 bezieht. Hier hat sich ING den Vorgaben der Europäischen Zentralbank gebeugt, die besagten, dass Banken sich mit Dividenden zurückhalten sollen, um die pandemiegetriebenen Risiken für das Finanzsystem zu mildern. Nach dem Motto „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ erfolgten nach überstandener Pandemiezeit die wohlverdienten Ausschüttungen.

Hiermit haben wir also etwa 5 der 8 Mrd. Euro Differenz erklärt.

Die restlichen 3 Mrd. Euro stammen aus dem wenig beachteten Bereich der sonstigen Komponenten des Gesamtergebnisses. Dort geht es überwiegend um Bewertungsthemen rund um Wertpapiere, Beteiligungen usw. Deren Schwankungen möchte man nicht in der Erfolgsrechnung (GuV) haben, aber aus der Bilanz lassen sie sich nicht eliminieren.

So steht dort zum Beispiel bei der fairen Bewertung von Fremdkapitalinstrumenten ein Minus von 428 Mio. Euro. Der weitaus größte Batzen bezieht sich allerdings auf Veränderungen bei den Rücklagen für die Absicherung von Cashflows („cash flow hedge reserve“): -3,16 Mrd. Euro! Da sich alles andere in etwa ausgleicht, könnte man sagen, dass diese Position für die restlichen 3 Mrd. Euro Differenz verantwortlich ist.

Darum geht es bei Rücklagen für die Absicherung von Cashflows

Cash flow hedges sind Absicherungsinstrumente. Das Ziel dabei ist, zukünftige Geldzuflüsse verlässlich zu machen, um gegenüber Überraschungen gefeit zu sein. Die Summe all dieser Absicherungen, die aus Terminmarktinstrumenten und Swaps besteht, wird in einer Rücklage zusammengefasst. Und deren Minus frisst den Nettogewinn fast komplett auf. Was sagt ING dazu?

Nun, in einem kleinen Absatz im Geschäftsbericht 2022 steht, dass ING im Wesentlichen variabel verzinste Darlehen mit Swaps absichert. Inzwischen sind die Zinsen stark gestiegen und ING kann davon nicht profitieren. Sie kassiert stattdessen die abgesicherten Minizinsen vom Swap-Partner. Es handelt sich also eher um entgangene Gewinne als um handfeste Verluste.

Ein fragwürdiges Risikomanagement

ING betreibt ein umfassendes Risikomanagement, was gerade in diesen Zeiten, wo die Bankenwelt durch Pleiten erschüttert wird, beruhigend ist. Dazu gehört auch die Absicherung von künftigen Zahlungsströmen. Dennoch überrascht die Höhe, mit der das Eigenkapital im Jahr 2022 geschrumpft ist.

Offenbar herrscht viel Routine bei den Prozessen im Risikomanagement. Dinge werden so gemacht, wie sie schon immer gemacht wurden, selbst wenn die Zeiten sich ändern. Das Absichern von variabel verzinsten Darlehen zu Minizinsen war zumindest im Rückblick keine gute Strategie. Und ich denke, dass die Ökonomen der ING auch im Voraus andere Vorgaben hätten machen müssen. Schließlich hat sich die Zinswende schon Ende 2021 angekündigt.

Für mich ist es ein Grund, trotz der sonst hervorragenden Aufstellung der Bank diese Aktie zu meiden.

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Ralf Anders besitzt keine der genannten Aktien. Aktienwelt360 empfiehlt keine der genannten Aktien.



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