Hat Amazon gerade die Lieferung von Lebensmitteln getötet?
Amazon (WKN:906866) hat gerade angekündigt, dass es für 299 USD pro Jahr Güter des täglichen Bedarfs liefern will. Da seine Konkurrenten nur geringe Gebühren erheben, stellt sich die Frage: Hat sich der E-Commerce-Riese mit diesem Preis gerade selbst aus dem Markt gekegelt oder hat er der Branche einen Gefallen getan, indem er die Kosten anerkannt hat, die bei der Lieferung von Lebensmitteln bis zur Haustür anfallen?
All you can eat
Der Verkauf von Lebensmitteln ist ein extrem niedrigmargiges Geschäft und dazu kommen nun noch die Lieferkosten. Es ist nicht so, dass man einfach per UPS ein Paket vor der Tür ablegen kann. Die Lebensmittel müssen nicht nur in speziellen Boxen geliefert werden, sondern müssen auch in gekühlten LKW transportiert werden. Dies könnte ein Hinweis sein, dass Konkurrenten wie Instacart, dessen Gebühren bei 3,99 USD starten und bis 10 USD reichen, ein Problem haben, diese aufrechtzuerhalten. Dabei erhebt Instacart bei manchen Shops sogar Gebühren, die so hoch sind, dass es für einen Kunden billiger wäre, sein Essen im Supermarkt zu kaufen. Es bietet zudem für 99 USD eine Express-Mitgliedschaft an, die wie Amazon Prime funktioniert und bei der die Liefergebühren gespart werden.
Wal-Mart (WKN:860853) scheint diese Schwierigkeiten zu erkennen. Obwohl es ebenfalls vergleichsweise niedrige Liefergebühren erhebt (diese werden nicht ausgewiesen und es gibt auch keinen Pauschaltarif), bewirbt es doch die Abholung vom Ladengeschäft.
Wal-Mart glaubt, dass seine weite physische Präsenz einen Wettbewerbsvorteil darstellt. 70 % der Bevölkerung der USA wohnt in einem 5-Minutenradius von Wal-Mart entfernt. Der Abholservice ist zudem kostenlos.
Während Amazon sein Netzwerk an Verteilzentren ausbaut, ist es noch lange nicht so verbreitet wie Wal-Mart. Und da der E-Commerce-Führer berühmt dafür ist, Volumen über Gewinn zu stellen und zunächst eine kritische Masse zu erreichen, bevor er sich um Gewinne kümmert, könnte die Gebühr von Amazon das Eingeständnis sein, dass nicht alle Angebote mit diesem Geschäftsmodell funktionieren.
Dass Amazon Bedenken hatte, wie gut ein Preis von mehreren Hundert Dollar für den Lebensmitteleinkauf angenommen wird, wurde deutlich, da es die Einführung der Gebühr immer weiter hinauszögerte. Aber nun, nach der Einführung, könnte dies auch anderen Anbietern Schutz bieten, die dem Beispiel folgen. Auch dann, wenn die Wettbewerber ihre Preise nicht dramatisch anheben werden.
Aufräumen
Lebensmittellieferungen sind ein schwieriges Geschäftsfeld. Webvan war ein Vorzeigeprojekt des Dotcom-Booms, welches schnell verbrannte. Genauso ging es HomeGrocer, seinem größeren Wettbewerber, der es übernahm und letzen Endes pleiteging.
Peabod von Ahold (WKN:889412) ist mit zwei Jahrzehnten am Markt der Großvater des webbasierten Lebensmitteleinzelhandels. In Sachen Umsatz schlägt es die meisten Anbieter. Laut Reuters hat Peabod einen Marktanteil von 11,4 % und führt damit den US-Markt an. Amazon Fresh liegt mit 2,7 % dahinter. Aber sowohl Amazon als auch Wal-Mart wachsen schneller.
Ohne die kritische Masse, die Amazon verfolgt, ist der Lebensmitteleinzelhandel eine teure Sache. Daher kooperiert Instacart ständig mit neuen Händlern. Gerade vor einem Monat kamen Target und H-E-B zu der Liste der Supermärkte hinzu, aus denen Kunden auswählen können.
Mehr Mäuse mit Speck ködern
Amazon macht nicht viele Fehler und ähnlich wie Thomas Edison bei der Entwicklung der Glühlampe sieht es nicht erfolgreiche Anstrengungen nicht als Scheitern an, sondern als „10.000 Möglichkeiten, die nicht funktioniert haben“. Der E-Commerce-Riese hätte seinen Preisanstieg trotzdem auch klüger einführen können.
Anstatt seine Kunden mit einem Vorschlaghammer zu konfrontieren (auch wenn Amazon sagt, dass die Gebühren fix sind), hätte es deutlich machen können, dass die 300 USD dem entsprechen, was sie auch anderswo bezahlen.
Wöchentliche Einkäufer bei Amazon Fresh oder eher Prime Fresh, wie es jetzt heißt, zahlen pro Lieferung weniger als 6 USD. Dies ist in vielen Fällen billiger als der Wettbewerb. Wenn man nur jede zweite Woche einkauft, sind es schon 12 USD pro Lieferung und immer noch konkurrenzfähig. Nur Gelegenheitskäufer werden die neue Gebühr als zu hoch empfinden. Amazon wird vielleicht versuchen, sie anderweitig zu überzeugen. Wie beim Amazon Prime Programm, welches kostenlose Lieferung von tausenden Produkten beinhaltet, profitieren die Kunden am meisten, die das Angebot am häufigsten nutzen.
Amazon hätte auch deutlicher machen können, dass die neue Gebühr auch Prime umfasst. Damit profitiert man gleichzeitig von beiden Angeboten.
Zahle jetzt oder später
Die Zeit wird zeigen, ob sich Kunden dazu überreden lassen, im Voraus Geld zu bezahlen, um Lebensmittel (und andere Produkte) einzukaufen, anstatt jedes Mal einen kleinen Betrag zu zahlen. Eine monatliche Gebühr hätte den Schreck vielleicht abgemildert. Aber im Krieg der Lebensmitteleinzelhändler könnte es Wal-Marts Abholservice sein, der von den Kunden bevorzugt wird. Amazon hätte dann mit seiner Gebühr nur gezeigt, wie teuer „kostenlos“ wirklich ist.
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The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Amazon.com. The Motley Fool empfiehlt United Parcel Service.
Dieser Artikel wurde von Rich Duprey auf Englisch verfasst und am 22.10.2015 auf Fool.com veröffentlicht. Er wurde übersetzt, damit unsere deutschen Leser an der Diskussion teilnehmen können.