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Ewige Nullzinsen oder Zinswende im Anmarsch? 3 Foolishe Meinungen

am Scheideweg Depot
Foto: Getty Images

Die Zinswende lässt nun schon sehr lange auf sich warten und es geschehen erstaunliche Dinge am Rentenmarkt. Die Bundesfinanzagentur konnte im Juni selbst zehn Jahre laufende Anleihen zu Minusrenditen ausgeben. Ersparnisse werden systematisch entwertet. Kann das ewig so weitergehen? Wir haben drei Fools zu ihrer Einschätzung der Lage befragt.

Ralf Anders: Turbulenzen einkalkulieren

Der Rentenmarkt ist fragiler, als es vielleicht den Eindruck macht. Viele Ursachen könnten zu einer Trendumkehr führen. Im Kern geht es jedoch um drei Dinge: die Inflation, die Investitionstätigkeit und die Kreditwürdigkeit.

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Die Geldtheorie sagt, dass die Inflation steigt, wenn die Geldmenge schneller als der Güterhandel wächst – allerdings nur, wenn die Umlaufgeschwindigkeit stabil bleibt. An dieser Front geht es jedoch seit der Finanzkrise etwas gemächlicher zu. Rohstoffpreise und Lohnentwicklung wirken ebenfalls moderat, sodass ich denke, dass wir für den wahrscheinlichen Auslöser noch tiefer graben müssen.

Wie wäre es damit? Bisher haben vor allem die Chinesen einen guten Teil der globalen Investitionsprojekte an sich gerissen, dabei mit „billig-billig“ die Renditeerwartungen tief gehalten und damit die Investitionsanreize für andere reduziert. Diese Struktur könnte jederzeit auf den Kopf gestellt werden. Die Energie- und die Mobilitätswende stehen an und beide erfordern Unmengen an Investitionen. Mehr Geld kann dann endlich wieder von der Finanzwelt in die Realwelt umgeleitet werden, mit vielfältigen Auswirkungen auf die internationalen Märkte. Ein Parken zu Minuszinsen wäre dann wohl nicht mehr angesagt, die Refinanzierung würde teurer.

Daneben ist es eine bekannte Tatsache, dass die Chinesen manchmal mit ihren Investitionen überdrehen, Stichworte Geisterstädte und Überkapazitäten. Aber auch die Amerikaner sind mir nicht geheuer. Riesige Milliardensummen an Wagniskapital fließen dort seit Jahren in fragwürdige Start-ups mit viel Zukunftshoffnungen, aber wenig Substanz, ein gefährliches Spiel mit ungewissem Ausgang. Sicher ist jedoch: Wenn Finanzmittel in großem Umfang fehlgeleitet werden, dann schwindet die Rückendeckung der zugehörigen Währung mit der Folge von Geldentwertung.

Es heißt ja oft, dass die Zentralbanken die Zinsen unten hielten. Dazu haben sie jedoch nicht die Macht. Sie können nur ihr Bestes tun, um die Märkte richtig zu lesen, und dann einen passenden Zinssatz festlegen. Wenn die Realität sich ändert, dann müssen sie früher oder später darauf reagieren und können nicht dagegen ankämpfen (man denke nur an den Konflikt von Präsident Erdoǧan mit der türkischen Zentralbank zum Jahreswechsel). Jeder kommende Tag könnte den Anfang einer neuen Zins-Ära begründen. Ob das morgen oder 2030 sein wird, kann niemand sagen, aber bequem zurücklehnen kann man sich bei diesem Thema aus meiner Sicht nicht.

Christoph Gössel: Das Fenster für die Notenbanken schließt sich

Die Theorie, die in der Schule gelehrt wird, ist im Prinzip ganz einfach und logisch: In wirtschaftlichen Schwächephasen sollen die Notenbanken die Zinsen senken. Das führt einerseits dazu, dass weniger gespart wird, und andererseits zu verstärkter Kreditaufnahme. Mit dem ganzen Geld wird dann mehr gekauft und investiert, und das hilft der Wirtschaft auf die Beine. Sobald die Wirtschaft wieder rundläuft, ist es dann Zeit, die Zinsen anzuheben, um eine zu starke Inflation zu verhindern und bei der nächsten Rezession wieder Spielraum nach unten zu haben.

Doch was sich im Lehrbuch simpel anhört, muss in der Wirklichkeit längst nicht immer stimmen: Seit 2014 wächst die reale Wirtschaftsleistung in der Eurozone. Laut Theorie hätte man die Zinsen in dieser Zeit erhöhen müssen, doch passiert ist – zumindest im Euroraum – nichts. Im Gegenteil: Bis 2016 sanken die Leitzinsen sogar noch, und bis vor wenigen Monaten kaufte die EZB auch noch im großen Umfang Staatsanleihen auf und trieb dadurch die Geldmenge weiter in die Höhe.

Der Grund für all diese Maßnahmen dürfte unter anderem darin liegen, dass in der Eurozone immer wieder neue finanzielle Sorgenkinder auf den Plan traten – man denke zum Beispiel an Griechenland und Italien. Gemäß der oben erläuterten Theorie hätten Zinserhöhungen die dort ohnehin fragile Wirtschaft komplett abgewürgt und zudem noch dafür gesorgt, dass die hoch verschuldeten Regierungen mehr für ihre Kredite hätten zahlen müssen. Beides wäre bestimmt nicht gut für die Eurozone ausgegangen – und so ließ man die Leitzinsen lieber, wo sie waren.

Eine weitere unschöne Konsequenz von Zinserhöhungen würde den ganzen Währungsraum betreffen: Viele Unternehmen, die seit Jahren nur noch überleben, weil sie sich billig verschulden können, würden bei höheren Zinsen kollabieren. Für die Hunderttausende Mitarbeiter und die Investoren wäre das eine Katastrophe, die einiges zum Wackeln bringen könnte.

Demnach steckt die EZB in der Zwickmühle: Das Zeitfenster, in dem Zinserhöhungen ökonomisch vernünftig gewesen wären, scheint sich langsam zu schließen. Gleichzeitig lastet immer noch erheblicher politischer und systemischer Druck auf der EZB, die Wirtschaft durch Nullzinsen am Laufen zu halten. Aus meiner Sicht bleibt in dieser Konstellation kein Raum für die Notenbank, die Zinsen nennenswert anzuheben, weshalb uns die Nullzinsen wohl noch viele Jahre lang quälen werden.

Somit muss ich meinem Kollegen Ralf hier widersprechen – ansonsten mögen wir uns aber immer noch!

Peter Roegner: Warum ich glaube, dass die Minuszinsphase noch lange nicht zu Ende ist

Warren Buffett hat von sich selbst gesagt, er gehe jeden Tag stepptanzend zur Arbeit, weil ihm das Führen seiner Investmentholding Berkshire Hathaway so einen Spaß mache.

Wenn ich Bundesfinanzminister wäre, würde ich auch jeden Tag vor Freude tanzen, denn dank der Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) kann sich die Bundesrepublik von Anlegern Geld leihen und muss dafür keine Zinsen zahlen, sondern bekommt sogar noch etwas dafür. Die zehnjährige Bundesanleihe hat derzeit (01.07.2019) eine Rendite von minus 0,33 %.

Was den Finanzminister freut, ärgert Sparer und Anleger, denn Erträge auf Sparbücher, Anleihen und Lebensversicherungen gibt es praktisch nicht mehr.

Dieser Zustand – davon bin ich überzeugt – wird weiter anhalten, und zwar noch viele Jahre. Der Grund dafür ist ziemlich einfach: Politik und EZB können sich höhere Zinsen überhaupt nicht leisten. Ich denke dabei vor allem an die hochverschuldeten Italiener: Diese wären bei Zinsen von 3 oder 4 % gar nicht mehr in der Lage, ihre Staatsanleihen zu bedienen. Eine Pleite dieses großen Landes würde zweifellos den Euro sprengen. Das wollen EZB und Politik mit allen Mitteln verhindern – „whatever it takes“.

Die Probleme Italiens sind offensichtlich und bekannt. Anders ist das bei vielen Unternehmen, denen es ähnlich geht wie den Südeuropäern: Sie sind hoch verschuldet und können nur durch nahezu zinslose Kredite am Leben erhalten werden. Der Markt bezeichnet sie auch gerne als „Zombie-Unternehmen“. Wenn jetzt die Zinsen steigen würden, hätte das erhebliche Auswirkungen und könnte sogar eine Kettenreaktion bis hin zu einer Rezession auslösen.

Und da aller guten Dinge drei sind, spielt hier auch die aktuelle Lage der Wirtschaft eine Rolle. Die Zentralbanken weltweit haben seit der Finanzkrise 2009 massiv Gelder in die Märkte gepumpt, um die Wirtschaft anzukurbeln – mit Erfolg. Nach zehn Jahren schwächen sich die einschlägigen Indikatoren jedoch ab und die Gefahr einer Rezession steigt. Warum sollte man gerade jetzt die Zinsen erhöhen? Zumal ich bei Politik und EZB ohnehin den Eindruck gewonnen habe, dass es bei ihnen nie wieder einen Konjunkturabschwung geben dürfe.

Die Zinsen werden also weiterhin niedrig bleiben. Und es wird weiterhin keine Alternative zu guten Aktien geben.

Das Foolishe Fazit

Du siehst also: So bunt, wie wir Fools sind, so bunt sind auch unsere Meinungen. Alle drei Fools haben ihre Ansicht aus unterschiedlichen Blickwinkeln heraus dargelegt und gut begründet. Erst die Zukunft wird zeigen, wer richtig liegt.

Wir hoffen aber, dass wir dir gute Argumente für deine Anlageentscheidungen an die Hand gegeben haben, sodass zumindest deine Renditen nicht bei null herumkrebsen.

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Ein erneutes Aufflammen von Corona in China, Krieg innerhalb Europas und eine schwächelnde Industrie in Deutschland in Zeiten hoher Inflation und steigender Zinsen. Das sind ziemlich viele Risiken, die deinem Depot nicht guttun.

Hier sind vier Schritte, die man unserer Meinung nach immer vor Augen haben sollte, wenn der Aktienmarkt einen Rücksetzer erlebt.

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Ralf besitzt keine der erwähnten Aktien. Christoph besitzt keine der erwähnten Aktien. Peter besitzt Aktien von Berkshire Hathaway (B-Aktien). Von Peter betreute Depot besitzen Aktien von Berkshire Hathaway (B-Aktien). The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Berkshire Hathaway (B-Aktien).



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