Das Chaos bei Boeing hört nicht auf
Wichtige Punkte vorab:
- Bei Flugtests aufgedeckte Probleme und die langsame Entwicklung von Software-Patches könnten zu einer weiteren Verzögerung der 777X-Auslieferung führen.
- Boeing hat die Auslieferung der 787 im vergangenen Jahr mehrfach gestoppt, da eine Reihe von Fertigungsfehlern festgestellt wurde.
- Den jüngsten Rückschlag erlitt Boeing Anfang dieses Monats, als das Unternehmen einen weiteren geplanten Testflug für seine Starliner-Besatzungskapsel absagen musste.
Im vergangenen November hob die FAA das Flugverbot für die 737 MAX von Boeing (WKN: 850471) nach 20 Monaten endlich auf. Dies ermöglichte es dem Luft- und Raumfahrtriesen, die Auslieferungen seines meistverkauften Modells vor Jahresende wieder aufzunehmen.
Die leidgeprüften Boeing-Aktionäre hofften, dass dieser Meilenstein das Ende einer unglücklichen, aber isolierten Episode markierte. Leider sind im Jahr 2021 im gesamten Unternehmen immer wieder neue Probleme aufgetaucht, die die Glaubwürdigkeit des Managements weiter untergraben haben. Solange Boeing seine Arbeit nicht besser macht, sollten sich Anleger weiterhin von dem Unternehmen fernhalten.
Programme für Großraumflugzeuge liegen im Argen
Auch wenn die Auslieferungen der 737 MAX inzwischen wieder aufgenommen wurden, hat sich die Großraumsparte von Boeing als neue Schwachstelle in der Produktpalette erwiesen. Die Produktion der 747 wird nächstes Jahr eingestellt. Boeing hat die Produktion des nächstgrößeren Modells – der 777 – auf nur noch zwei Flugzeuge pro Monat reduziert. Die meisten dieser Flugzeuge sind Frachtflugzeuge, da die Nachfrage nach Passagierflugzeugen praktisch verschwunden ist.
Die nächste Generation der 777X sollte die Nachfrage nach großen Passagierflugzeugen wiederbeleben. Die erste Auslieferung war ursprünglich für 2020 geplant, wurde aber Anfang dieses Jahres auf Ende 2023 verschoben. Selbst dieses Ziel könnte unrealistisch sein. Die FAA hat kürzlich den Zertifizierungsprozess verlangsamt, da Boeing Probleme, die bei frühen Flugtests im vergangenen Dezember aufkamen, nicht vollständig behoben hat. Und fast acht Jahre nach dem offiziellen Start des 777X-Programms hat Boeing erst acht bestätigte Kunden für diesen Typ.
Bei der 787 Dreamliner gab es eine Reihe von Produktionsfehlern. Boeing hat im vergangenen Jahr regelmäßig neue Fertigungsfehler festgestellt, die das Unternehmen immer wieder zu Lieferstopps zwangen. Im ersten Quartal wurden nur zwei 787 ausgeliefert. Nachdem das Unternehmen im April wieder auf Kurs gekommen war, musste es die Auslieferungen im Mai erneut stoppen. Der Industrieriese hat die 787-Produktion zurückgefahren, um seine Probleme mit der Qualitätskontrolle in den Griff zu bekommen.
Ironischerweise war die altehrwürdige 767 im Jahr 2021 das beständigste Großraumflugzeug von Boeing. Neue Emissionsvorschriften werden Boeing jedoch wahrscheinlich dazu zwingen, den Bau kommerzieller Varianten der 767 bis 2028 einzustellen.
Rückschläge für das Raumfahrtprogramm
Leider ist das zivile Flugzeuggeschäft von Boeing nicht der einzige Bereich des Unternehmens, der mit großen Problemen zu kämpfen hat. Anfang dieses Monats musste Boeing den geplanten unbemannten Testflug des Starliner zur Internationalen Raumstation absagen, nachdem sich 13 Ventile des Antriebssystems nicht auf Kommando öffneten.
Der erste Testflug des Starliners im vergangenen Jahr ging aufgrund von Softwareproblemen schief und musste in diesem Jahr wiederholt werden (auf Kosten des Unternehmens). Nachdem Boeing mehr als eine Woche lang versucht hatte, die Starliner-Kapsel zu reparieren, während sie noch an einer Atlas-V-Rakete befestigt war, räumte das Unternehmen kürzlich ein, dass es die Kapsel zurück in eine Boeing-Einrichtung bringen muss, um die Ursache des jüngsten Problems zu ermitteln und zu beheben.
Die jüngste Fehlfunktion wird den zweiten Testflug des Starliners (mindestens) um Monate verzögern und die Kosten von Boeing in die Höhe treiben. Und mit jedem Rückschlag wächst das Risiko, dass die NASA das Starliner-Programm aufgibt. Denn immerhin hat SpaceX bereits mehrere erfolgreiche bemannte Missionen für die NASA durchgeführt.
Doch es ist nicht alles schlecht
Boeing hat im Jahr 2021 dann doch einige Erfolge zu verzeichnen. Vor allem hat das Unternehmen mehrere Großaufträge für die 737 MAX erhalten, darunter einen über 200 Exemplare von MAX 8 und MAX 10 von United Airlines. Außerdem ist es dem Unternehmen gelungen, im letzten Quartal in die Gewinnzone zurückzukehren.
Dennoch hat sich der Auftragsbestand von Boeing im bisherigen Jahresverlauf kaum erhöht, da die Stornierungen einen Großteil der neu gewonnenen Aufträge leider wieder zunichtegemacht haben. Außerdem ist der Auftragsbestand immer noch fast 30 % unter dem von Ende 2018. Allein dieser Rückgang des Auftragsbestands wird dazu führen, dass die Gewinne und der Cashflow von Boeing weit unter den vor einigen Jahren erreichten Höchstständen bleiben.
Die weit verbreiteten Probleme in allen Geschäftsbereichen von Boeing – von der 787-Produktion über den 777X-Entwicklungsprozess bis hin zum Starliner – machen das Unternehmen zu einem noch weniger attraktiven Investitionsziel. Das Management scheint die Abläufe im Unternehmen nicht im Griff zu haben, was das Risiko weiterer kostspieliger Probleme erhöht. Einfach ausgedrückt: Boeing muss die Grundlagen zum Aufbau eines Hightech-Industrieunternehmens beherrschen, um sich als lohnende Investition zu erweisen.
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The Motley Fool besitzt keine der angegebenen Aktien. Adam Levine-Weinberg besitzt keine der angegebenen Aktien. Dieser Artikel erschien am 15.8.2021 auf Fool.com und wurde für unsere deutschen Leser übersetzt.