ING Groep wird aktuell unter Buchwert gehandelt – jetzt zuschlagen?
Der Kurs des niederländischen Finanzkonzerns ING Groep (WKN: A2ANV3) ließ in den vergangenen Monaten kräftig Federn: Seit Jahresbeginn beläuft sich das Minus auf fast ein Viertel (Stand vom 25. September 2018).
Schuld daran ist hauptsächlich ein Geldwäscheskandal, der die Jahre 2010 bis 2016 betrifft. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, dass Kunden jahrelang ING-Bankkonten weitgehend ungestört für kriminelle Aktivitäten nutzen konnten, da die Bank ihren Prüfungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei. Daher wurde ING eine Strafzahlung von insgesamt 775 Mio. Euro aufgebrummt.
So weit, so gut – Geldwäsche ist unschön und dass das bei ING passiert, ist sicher kein Qualitätsnachweis auf höchstem Niveau. Eventuell wird sogar ein Imageschaden die Folge sein. Doch könnte der Aktienmarkt möglicherweise überreagiert haben?
Die fundamentalen Wachstumstreiber sind da
Die ING Groep ist die Muttergesellschaft verschiedener Banken und Versicherungen. Dir ist bestimmt die Direktbank ING-DiBa ein Begriff, diese ist eine Tochter von ING Groep. INGs Tochterunternehmen operieren in über 40 verschiedenen Ländern weltweit.
Zwar sind nicht alle Tochterunternehmen von ING Groep reine Onlinebanken, doch das Direktgeschäft nimmt traditionell einen großen Teil ein. Gerade in den Wachstumsmärkten konzentriert sich das Unternehmen darauf, eine digital führende Rolle einzunehmen und Innovationen hervorzubringen. Wachstumsmärkte, digital führend, Innovationen – all das klingt schon mal ziemlich spannend für mich!
Der aktuellen Disruption des Bankenmarktes durch große Technologiekonzerne ist man sich bewusst, sieht die Entwicklung aber als Vorteil: Durch die positive Expertise im digitalen Banking werde dieser Trend ING mehr zugutekommen als der Konkurrenz. Was ich auch mag: ING fokussiert sich besonders darauf, für den Kunden einfach, verständlich und schnell zu sein und darin immer besser zu werden. Dieser Fokus auf den Kunden hat auch schon Amazon zu dem gemacht, was es heute ist.
Und was machen die Unternehmenszahlen?
Wer sich den langfristigen Chart von ING ansieht, kommt wahrscheinlich zu dem Schluss, dass bei dem Unternehmen seit Sommer 2015 nichts mehr vorangeht – aktuell (25. September 2018) liegt der Kurs nämlich um über 27 % unter dem damals markierten Hoch.
Doch der Aktienkurs trügt: Das Nettoergebnis von 2017 lag um 22,3 % über dem von 2015. Außerdem stieg das Geschäftsvolumen in diesem Zeitraum leicht an: Sowohl die Kundeneinlagen als auch die Kundenkredite konnten ein Wachstum von knapp 8 % verbuchen.
Doch auch das tollste Wachstum im Kreditbereich nutzt nichts, wenn die Kredite wacklig sind – im schlimmsten Fall könnten sich die Mehrerträge durch Zinsen auch schnell in Verluste durch Abschreibungen verwandeln. Um die Sicherheit im Kreditgeschäft zu prüfen, sehe ich mir gerne an, wie hoch die Wertberichtigungen im Kreditgeschäft im Vergleich zum gesamten Kreditvolumen sind. Diese Wertberichtigungen müssen nach strengen Regeln gebildet werden, bieten also ein objektives Maß für die Stabilität des Kreditgeschäfts.
Diese Quote lag bei ING im Jahr 2017 bei 0,78 %. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank (WKN: 514000) erzielte eine Quote von 1,05 % – gut ein Drittel höher als ING. Das ist zwar kein Sieg, mit dem ING sich brüsten sollte, aber es verdeutlicht, dass INGs Wachstum nicht auf Kosten der Sicherheit ging.
Die Bewertung ist attraktiv
ING konnte in der Vergangenheit gut wachsen und ist bestens aufgestellt, auch in Zukunft gutes Wachstum abzuliefern. Doch der Aktienkurs spiegelt das bisher in keiner Weise wider: Der Geldwäscheskandal hat den Kurs derart gedrückt, dass die Marktkapitalisierung aktuell (25. September 2018) um knapp 10 % unter dem Buchwert liegt.
Ein Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von unter 1 bedeutet, dass der Markt das Unternehmen niedriger bewertet als den Erlös, den man durch sofortige Liquidierung des Unternehmens erhalten könnte.
Für gewöhnlich liegt ein KBV unter 1 vor, wenn der Markt negative Zukunftserwartungen für ein Unternehmen in den Kurs einpreist. Doch ich sehe keine großen Gefahren für ING: Mit dem Fokus auf das Onlinegeschäft und das Kundenerlebnis ist ING gut für die Zukunft positioniert. Und die Zinswende, die laut Ökonomen hierzulande in etwa einem Jahr starten soll, sollte für höhere Erträge im Kreditgeschäft sorgen, was die Gewinne befeuert. Zudem ist der Geldwäscheskandal beigelegt, der zuletzt wie ein Damoklesschwert über der Aktie hing.
Auch beim KBV wollen wir uns einen Vergleichswert ansehen: Die US-amerikanische Großbank JPMorgan Chase (WKN: 850628) kommt auf ein KBV von 1,54 (Kurs vom 25. September 2018).
Nur als Gedankenspiel: Sollte der Markt ING von heute auf morgen zum selben KBV bewerten, würde das einen Kursanstieg von gut 71 % bedeuten!
Nicht verunsichern lassen
Die starken Kursrückgänge könnten bestehende Aktionäre und auch interessierte Investoren verunsichern. Ich denke jedoch, dass die aktuellen Kurse Kaufkurse sind.
Der Belastungsfaktor Geldwäsche ist für ING vom Tisch, und auch wenn eventuell ein Imageschaden die Folge sein könnte, denke ich nicht, dass dieser die Geschäftsentwicklung nachhaltig beeinflussen wird. Zudem sind die Wachstumstreiber für das Unternehmen intakt und die Bewertung ist sehr günstig.
Wer den europäischen Bankenmarkt generell vor einer Erholung sieht oder gerne in Aktien investiert, die zu Unrecht unter Buchwert notieren, für den könnte sich ein genauerer Blick auf die ING Groep lohnen.
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Christoph Gössel besitzt Aktien von ING Groep. John Mackey, CEO von Amazon-Tochter Whole Foods Market, sitzt im Vorstand von The Motley Fool. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Amazon.