EBITDA und Freier Cashflow erklärt mit SAP, Telekom und Siemens
Bilanzzahlen sind neben der Strategie-Analyse grundlegend für die Bewertung von Aktiengesellschaften. Zwei davon wollen wir uns im Folgenden genauer anschauen: EBITDA und Freier Cashflow (FCF). Anhand von realen Zahlenreihen von Siemens (WKN:723610), SAP (WKN:716460) und der Deutschen Telekom (WKN:555750) können wir auch konkret deren Aussagekraft und Limitierungen erkennen.
Das ist die Idee des Freien Cashflows
Um uns die Bedeutung des FCF vor Augen zu führen, lass uns folgende Situation zum Fiskaljahresende eines Konzerns vorstellen: Der Aufsichtsrat lädt den Vorstandsvorsitzenden, den Finanzchef und einen Aktionärsvertreter ein. Er fragt die drei, was mit der Milliarde FCF angestellt werden soll:
- Der Vorstandsvorsitzende argumentiert, dass er in einen neuen aussichtsreichen Geschäftsbereich investieren möchte.
- Der Finanzchef meint, dass es am besten wäre, die Schulden zurückzuführen, um die Bilanz zu stärken.
- Der Aktionärsvertreter fordert hingegen eine signifikante Erhöhung der Dividende.
Nun muss der Aufsichtsrat vermitteln, denn alle drei Parteien führen gute Gründe für ihre Position an. Letztlich einigen sich aber alle auf eine Lösung, schließlich haben sie im Kern das gleiche Interesse: die Maximierung der langfristigen Erträge. Das FCF ist also ein Ausgangspunkt, der für Unternehmen und Eigenkapitalgeber zentral ist.
EBITDA als Indikator für die Kapitaldienstfähigkeit
Ganz anders beim EBITDA, dem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen: Der Staat will mehr Steuern eintreiben, die Banken wollen höhere Zinsen und die Aktionäre mehr Dividenden. Die widerstreitenden Interessen lassen sich kaum unter einen Hut bekommen.
Das EBITDA ist eine Ergebniszahl, die vor allem für die Fremdkapitalgeber von hohem Interesse ist, da die Zinsen den ersten Posten darstellen, der von dem Betrag beglichen werden muss. Erst dann kommen gegebenenfalls Ersatzinvestitionen und Steuern.
Im EBITDA steckt auch Hoffnung, nämlich dass die festgesetzten Buchwerte – beispielsweise für eigene Patente oder produzierte aber noch nicht verkaufte Güter – sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in reale Geldmittel umwandeln, der so genannten Cash Conversion. Kritisches Hinterfragen ist hier oft angebracht.
Die Kapitalflussrechnung lässt sich diesbezüglich nicht betrügen: Geld, das ausgegeben wurde, ist sofort weg und nicht realisierte Erträge werden ignoriert.
FCF in verschiedenen Phasen
Der FCF kann gut dazu verwendet werden, um die Phasen eines Unternehmens zu beschreiben. Wenn stark expandiert und investiert wird, bleibt wenig Geld für Dividenden und die Schuldenrückführung übrig. Sobald die neuen Fabriken allerdings hochfahren kommt Geld herein, während nur noch Ersatzinvestitionen in begrenztem Ausmaß notwendig sind. Etwa bei spezialisierten Chemie-Konzernen sind solche Zyklen immer wieder zu beobachten. Unternehmen sprechen dann von Cash Conversion, also der Umwandlung von investierten Mitteln in Barmittel.
Am einfachsten zu interpretieren ist der FCF bei etablierten Unternehmen, die einen ausgeglichenen Investitionszyklus haben, das heisst, dass Modernisierungsausgaben und Abschreibungen über die Jahre nicht stark voneinander abweichen. In diesem Fall lässt sich leicht einordnen, wie viel zusätzliches Geld dem Unternehmen nach jeder Periode zur Verfügung steht, um “Gutes” zu tun, nämlich Verbindlichkeiten zurückzuführen, in die Betriebserweiterung zu investieren oder an die Aktionäre auszuzahlen.
EBITDA ist eine konstantere Größe
Ein großer Vorteil des EBITDA ist, dass sich durch die Einbeziehung von Buchwerten oft ein recht gleichmäßiger Verlauf über die Jahre bildet, weitgehend unabhängig vom Investitionsverhalten.
Allerdings muss auch diese Kennzahl in den Kontext des Unternehmens eingeordnet werden. Jeder Stakeholder möchte natürlich nicht nur wissen, wie viel für alle da ist, sondern vor allem, was für ihn selbst übrig bleibt, nachdem die anderen bedient wurden. Ein hoch verschuldetes Unternehmen wird einen Großteil des EBITDA an die Fremdkapitalgeber weiterreichen müssen, sodass für Aktionäre und den Betrieb selbst nur wenig bleiben.
Aus diesem Grund sollten wir bei jeder betrachteten Aktiengesellschaft eine Idee davon entwickeln, auf welche Weise der letztlich ausschüttbare Nettogewinn reduziert wird.
Um noch ein besseres Gefühl für die beiden Kennzahlen zu bekommen, habe ich nachfolgend einige Zeitreihen zusammengestellt.
Konkrete Beispiele: Siemens, SAP, Deutsche Telekom
Die folgenden Zahlen stammen alle aus Primärquellen der drei Unternehmen, darunter ein Infrastruktur basierter Dienstleister, ein Software-Unternehmen und ein Industriegigant.
EBITDA in Mrd. EUR | 2015 | 2014 | 2013 | 2012 | 2011 |
---|---|---|---|---|---|
Telekom | 18,4 | 17,8 | 15,8 | 18,0 | 20,0 |
SAP | 6,2 | 5,8 | 6,0 | 4,9 | 4,9 |
Siemens | 7,9 | 7,7 | 6,8 | 7,3 | 8,9 |
FCF in Mrd. EUR | 2015 | 2014 | 2013 | 2012 | 2011 |
---|---|---|---|---|---|
Telekom | 4,5 | 4,1 | 4,6 | 6,2 | 6,4 |
SAP | 3,0 | 2,8 | 3,3 | 3,3 | 3,3 |
Siemens | 5,0 | 5,3 | 5,3 | 4,8 | 5,8 |
Es lassen sich eine Reihe interessanter Aspekte erkennen:
Bei der Telekom ist der Unterschied der beiden Kennzahlen viel größer als bei SAP, weil der Konzern im Gegensatz zum Software-Unternehmen einen hohen Bedarf an Investitionen in den Ausbau und die Modernisierung seiner Netze hat. Die Bonner erwarten, dass der FCF in den kommenden Jahren wesentlich schneller wächst als das EBITDA.
Ab 2013 geht auch bei SAP die Schere etwas auseinander, da die Investitionen in das Cloud-Geschäft zu Geldabflüssen führten. Das steigende EBITDA lässt uns hoffen, dass in den kommenden Jahren auch der FCF nachziehen wird, sobald die Investitionskurve wieder abflacht.
Auffallend ist auch, dass keine der beiden Kennzahlen die milliardenschweren Akquisitionen von Siemens und SAP widerspiegeln. Beim EBITDA, weil solche Transaktionen in der Bilanz aktiviert werden und ergebnisneutral sind, und beim FCF, weil er üblicherweise nur betriebliche Investitionen einbezieht.
Auch das ist ein Punkt, der zeigt, dass eine einzelne Kennzahl nur wenig taugt. Gerade bei Großübernahmen sollte man sich ein gutes Bild davon machen, ob die aus dem Zusammenschluss folgenden zusätzlichen Erlöse die Minderungseffekte aus Zins und Abschreibung langfristig übersteigen können.
Fazit
Das EBITDA ist am wichtigsten für Gläubiger, der FCF für die Unternehmens- und Aktionärsseite. Ihr volles Potenzial entfalten sie aber erst im Zusammenspiel. Sobald du eine Vorstellung davon hast, wie aus dem EBITDA in Zukunft Barmittelüberschüsse werden, kannst du die Gewinnchancen der zugehörigen Aktie viel besser einschätzen.
Setzt du diese Kennzahlen zusätzlich noch in das Verhältnis zu Umsatz, Verschuldung oder Unternehmenswert, sind auch aufschlussreiche Vergleiche möglich, aber das ist ein anderes Thema.
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Ralf Anders besitzt keine Wertpapiere genannter Unternehmen. The Motley Fool besitzt keine der genannten Aktien.