Warren Buffett: Ein Idol, das auf den Prüfstand gehört!
Warren Buffett, das Orakel von Omaha, hat sich über Jahrzehnte den Ruf eines unfehlbaren Investors erworben. Seine Anlageentscheidungen gelten für Millionen von Anlegern weltweit als Maßstab.
Auch für mich war Buffett lange Zeit der Maßstab, an dem ich meine eigenen Investitionen ausgerichtet habe. In den letzten Jahren habe ich jedoch meine Einstellung zu ihm und seiner Strategie überdacht. Obwohl seine Erfolge unbestreitbar sind, gibt es mehrere Gründe, warum er für mich nicht mehr der alleinige Meister ist.
Veränderte Marktbedingungen
Da wären als erstes die Marktbedingungen, die sich in den letzten Jahren dramatisch verändert haben. Während Buffett traditionell auf Value-Investing setzt, also auf den Kauf unterbewerteter Unternehmen, hat sich der Markt in Richtung Technologie, Innovation und Disruption verschoben. Hier wird heute das große Geld verdient.
Die neuen Marktführer passen aber nicht in das klassische Value-Schema, weshalb Buffett oft spät oder gar nicht zum Zuge kommt. Ein Beispiel dafür ist seine anfängliche Zurückhaltung gegenüber Technologieaktien wie Amazon (WKN: 906866). Als er schließlich bei Apple (WKN: 865985) groß einstieg, kam die Idee wahrscheinlich nicht von ihm selbst, sondern von seinem Investment-Manager Todd Combs.
Warren Buffett: Fehlinvestitionen und zu geringe Haltedauer
Trotz seines Rufs als Starinvestor unterliefen auch Warren Buffett einige Fehler. Ein bekanntes Beispiel ist seine Entscheidung, Aktien von Fluggesellschaften wie Delta Airlines (WKN: A0MQV8) und Southwest Airlines (WKN: 862837) kurz vor dem dramatischen Einbruch des Flugverkehrs infolge der COVID-19-Pandemie zu kaufen. Buffett entschied sich schließlich, alle Aktien der Fluggesellschaften zu verkaufen, was ihm Verluste in Milliardenhöhe einbrachte.
Ein weiteres Beispiel ist seine Investition in IBM (WKN: 851399), die nicht den erhofften Erfolg brachte. Buffett begann 2011 in IBM zu investieren, doch die Aktie blieb hinter den Erwartungen zurück. Schließlich verkaufte er seine IBM-Anteile 2017, nachdem die Vormachtstellung im Technologiebereich endgültig verloren schien. Heute zeigt sich die Lage jedoch anders.
Die Liste der Fehlinvestments ließe sich entsprechend verlängern. Auch auffallend: Entgegen seiner bekannten „Buy and Hold“-Philosophie hat Buffett in jüngster Zeit auch Aktien nur kurzfristig gehalten, was seiner bisherigen Strategie widerspricht.
Ein gutes Beispiel ist hier seine Investition in Barrick Gold (WKN: 870450), die er nach weniger als einem Jahr wieder verkaufte. Dies deutet für mich darauf hin, dass sich auch Buffett zunehmend den kurzfristigen Marktschwankungen beugt, anstatt stur an seinen langfristigen Überzeugungen festzuhalten. Oder hat er die Investment-Thesis nicht gut genug durchdacht?
Verkauf von Apple-Aktien und Cash-Management und geringe Diversifikation
Ein besonders umstrittener Schritt war schließlich Buffetts Entscheidung, einen Großteil seiner Apple-Aktien zu verkaufen. Apple ist eine der erfolgreichsten Positionen im Buffett-Portfolio.
Angesichts der anhaltenden Dominanz von Apple und der Tatsache, dass das Unternehmen nach wie vor für beeindruckende Renditen steht, könnte der Verkauf rückblickend ein Fehler sein. Ein Verkaufsargument von Buffett war die Ausnutzung der derzeit niedrigen Steuersätze – ein Schritt, der im Widerspruch zu seinem Ansatz steht, langfristig zu investieren und die Kernkompetenzen des Unternehmens in den Fokus zu stellen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der hohe Cash-Anteil, den Buffett in den letzten Jahren in seinem Portfolio gehalten hat. Auch wenn es sinnvoll ist, liquide Mittel für Opportunitäten bereitzuhalten, argumentieren viele, dass der hohe Cash-Anteil in Buffetts Portfolio zu lange ungenutzt blieb, während der Markt gleichzeitig signifikante Renditen erzielte – besonders im Technologieboom.
Dies steht im krassen Gegensatz zu seiner einst eigenen Empfehlung, dass Cash eine schlechte Anlage ist. Cash ist zwar King, aber über die Zeit das schlechteste Investment. Die hohen Zinsen mögen ihm derzeit zwar etwas Rückenwind für diese Entscheidung geben. Langfristig kann man mit Staatsanleihen aber nur verlieren.
Zu guter Letzt wäre da noch Buffetts Ansatz, hochkonzentrierte Wetten auf wenige Unternehmen zu platzieren. Er kann für weniger gut informierte Anleger jedoch fatal sein.
Während Buffett sich diese konzentrierten Anlagen leisten kann, weil er über gute Kenntnisse und Ressourcen verfügt, birgt der Ansatz für durchschnittliche Anleger ein erhebliches Risiko. Eine zu geringe Diversifikation kann in einem von Unwägbarkeiten geprägten Markt schnell zu hohen Verlusten führen.
Fazit zum Mentor Warren Buffett
Warren Buffett bleibt zweifellos eine Legende der Investmentwelt, aber die Veränderungen der Marktbedingungen, seine jüngsten Fehler und sein Abweichen von einigen seiner eigenen Grundprinzipien haben dazu geführt, dass ich ihn nicht mehr als meinen einzigen Lehrmeister betrachte.
Es ist meiner Meinung nach wichtiger, den Markt aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Auch sollte man eine Anlagestrategie entwickeln, die nicht nur auf der Buffett-Philosophie basiert, sondern auch flexibel und anpassungsfähig an die heutige komplexe und schnelllebige Finanzwelt ist. Nur so kann man selbst zu einem noch besseren Anleger werden, als es Warren Buffett heute schon ist.
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Frank Seehawer besitzt Aktien von Amazon, Apple und IBM. Aktienwelt360 empfiehlt Aktien von Amazon und Apple.